Gildenhaus Thendara - 7
sie fragte sich - so genau waren sie aufeinander eingestimmt - ob auch er rudimentäres Laran besitze wie viele, vielleicht die meisten Terraner. Im Prozeß ihres Zusammenwachsens mochte es sich entwickeln, und dann würde ihnen die Art von gegenseitigem Verständnis zuteil werden, nach der sie sich sehnte.
Cholayna lächelte ihnen zu und sagte mit einer Spur von Ironie: „Wenn ihr beiden Liebesvögel einen Augenblick Zeit für mich habt .. ” Peter ließ Jaelles Hand los, und die Röte der Verlegenheit kroch
in sein Gesicht. „Oh, entschuldigt euch nicht”, fuhr Cholayna fort. „Ich wollte, ich könnte euch ein Jahr Urlaub und die Möglichkeit verschaffen, fortzureisen und richtige Flitterwochen zu verleben, aber die Umstände erlauben es einfach nicht. Magda hat inzwischen reichlich Zeit gehabt, festzustellen, ob im Thendara-Gildenhaus Frauen sind, die sich als medizinisch-technische Assistentinnen oder für andere Arbeiten hier bei uns eignen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie zu einer Besprechung herkommen kann, Jaelle?”
„Absolut Null”, gab Jaelle prompt zurück. „Ich habe es Ihnen gesagt; sie darf in diesem halben Jahr der Ausbildung das Haus nicht verlassen, es sei denn, eine Gildenmutter befiehlt es ihr”
Cholayna runzelte leicht die Stirn. „Sind Sie nicht ihre Vorgesetzte? Können Sie nicht nach ihr schicken und ihr befehlen zu kommen?” „Das könnte ich wohl”, überlegte Jaelle, „aber ich möchte ihr das nicht antun. Es würde sie von den anderen absondern und unter Umständen verhindern, daß sie jemals eine von ihnen wird”
„Ich glaube, du bist übergewissenhaft”, warf Peter ein. „Die Entscheidung, Freie Amazonen - entschuldige, Entsagende - bei den Terranern zu beschäftigen, ist für unsere beiden Welten wichtig und sollte gefördert werden, soweit es menschenmöglich ist, bevor sie an Momentum verliert” „Trotzdem wäre es nicht richtig, Magda zu enttarnen”, gab Cholayna zu bedenken. „Wenn sie als eine von ihnen ins Gildenhaus eingetreten ist, wollen wir sie nicht auf diese Weise herausheben. Jaelle, könnten Sie hingehen und unter vier Augen mit ihr reden?”
Plötzlich wurde Jaelle von Heimweh überwältigt. Das Gildenhaus zu besuchen, wieder eins mit ihren Schwestern zu sein! „Das werde ich gern tun, und ich kann auch mit Mutter Lauria darüber sprechen”
„Die Sache hat nur einen Fehler”, brummte Peter. „Ich kann nicht mitkommen, oder?”
„Nicht ins Gildenhaus, tut mir leid”, sagte Jaelle, aber sie lächelte. Sie dachte, daß sie eines Tages, bald schon zusammen im Schnee durch die Stadt gehen würden, die sie liebte. Er liebte sie auch, er hatte jahrelang als Darkovaner in ihrer Welt gelebt. Warum hatte sie angefangen, von ihm als einem Terraner und Fremden zu denken? Für ihn ebenso wie für sich selbst mußte sie den darkovanischen Piedro, den sie geliebt hatte, zurückgewinnen.
„Reden wir einmal darüber, welchen Typ von Frauen wir hier brauchen”, regte Cholayna an. „Vor allem müssen sie flexibel sein, fähig, neue Arten des Denkens und Handelns zu erlernen, sich an eine fremde Umgebung anzupassen. Im Grunde .. ” - sie lächelte Jaelle zu, und es war wie eine warme Berührung ihrer Hand -„…müssen sie wie Sie sein, Jaelle, dazu imstande, den Kulturschock zu überleben”
„Ah”, sagte Peter, „aber es gibt keine zweite wie Jaelle mehr. Als sie geschaffen worden war, wurde die Form zerbrochen”
„Ich glaube nicht, daß ich so einzigartig bin”, wehrte Jaelle lachend ab. Schon ging sie im Geist eine Liste der Frauen durch, die sie im Gildenhaus kannte. Andere, die sie nicht kannte, mochten sich ebenfalls zur Ausbildung durch die Terraner eignen. Aus Rafaella würde niemals eine medizinisch-technische Assistentin werden, aber sie war eine ausgezeichnete Bergführerin, und ihr Wissen über die Reisemöglichkeiten im Gebirge und vor allem in den Hellers wäre für die Terraner von großem Wert. Marisela - Jaelle dachte an das Geschick der Hebamme. Und ihre Anpassungsfähigkeit erlaubte es ihr, in der Stadt bei Frauen Geburtshilfe zu leisten, die Freie Amazonen normalerweise verabscheuten. Marisela ihrerseits hätte auch Vorteile von dieser Ausbildung, aber konnte man sie im Gildenhaus entbehren? Mit einem Schulterzucken schob Jaelle diese Überlegungen beiseite; das mußte sie alles mit Mutter Lauria besprechen. Sie hob den Blick und begegnete Cholaynas Lächeln.
„Wo sind Sie gewesen?” fragte Cholayna freundlich.
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