Gildenhaus Thendara - 7
Jaelle lachte und entschuldigte sich. „Ich habe über die Frauen im Gildenhaus nachgedacht” „Dann gehen Sie nur und regeln Sie die Sache mit Ihren Gildenmüttern”, entließ Cholayna sie. „Läßt es sich wohl machen, daß ich eines Tages ein Gildenhaus besuche?”
„Ich wüßte nichts, was dagegen spräche” Wieder reagierte Jaelle auf die spontane Freundlichkeit der Frau. „Ich glaube, Sie würden Mutter Lauria gefallen, und ich wünschte, Sie hätten meine Eidesmutter Kindra kennenlernen können” Sie waren sich, dachte Jaelle auf dem Weg nach unten zu ihrer Wohnung, in vieler Beziehung ähnlich. Obwohl Cholayna in einer Welt aufgewachsen war, wo ihr niemand verwehrt hatte, zu lernen und sich zu entwickeln, und sie ihre Kraft nicht, wie es eine Amazone tun mußte, durch Widerstand und Entsagung gewonnen hatte, sondern einfach, indem sie sich für diese Arbeit entschied…
Und dann entsetzte sich Jaelle über sich selbst. Kritisierte sie ihre eigene Welt zugunsten der Terranan! Hatten ein paarmal zehn Tage sie so sehr korrumpiert?
Korrumpiert? Bin ich korrumpiert, wenn ich Peter liebe, wenn ich seine Welt anerkenne? Sie knallte die Tür ihrer Wohnung hinter sich zu und riß sich die Uniform mit zitternden Händen vom Leib. Es war wahrhaftig Zeit, daß sie ihr Zuhause wieder einmal besuchte!
Sie zog ihre bestickte leinene Unterjacke an, die dicke Unterhose, die Hose aus schwerem Wollstoff und die Überjacke. Sie setzte sich, um ihre Stiefel zuzuschnüren. Fluchend fuhr sie sich mit der Hand durch ihr langes, dichtes Haar. Es war Zeit, wirklich höchste Zeit, daß sie es schneiden ließ. Nein, verdammt noch mal, warum sollte sie? Sie lebte als Peters Freipartnerin was die Bedingungen ihres Eides ihr gestatteten, versicherte sie sich selbst heftig. Doch der Gedanke quälte sie weiter. Was würde Rafaella sagen, was Camilla, wenn sie im Gildenhaus mit wallender Mähne erschien statt mit einem Haarschnitt, der sie deutlich als Entsagende auswies, die damit ihre Unabhängigkeit von jedem Mann proklamierte? Oh, zur Hölle mit ihnen allen! Sie griff nach einer Schere, sah nachdenklich in den Spiegel und erinnerte sich daran, wie Peters Hände ihr Haar gestreichelt hatten. Schon hatte sie die Schere an der Nackenlinie angesetzt, als sie von neuem wütend fluchte und sie zu Boden warf. Es war ihr eigenes Haar und ihr eigenes Leben, und wenn sie ihrem geliebten Freipartner gefallen wollte, stand ihr das Recht zu. Trotzdem fühlte sie sich schuldig.
Draußen schneite es, da mußte sie sich zum Schutz gegen den Wind und die Kälte das Gesicht eincremen. Sie wühlte in der Schublade und hatte ihre Freude an den terranischen Kosmetika. Sie dufteten ein bißchen stärker, sie fühlten sich ein bißchen glatter an als die Artikel, die sie auf dem Markt hätte kaufen können, oder die Salben, die einige der Frauen im Gildenhaus herstellten, wenn man dort eine Zeitlang knapp mit dem Geld war. Während sie die Creme auf ihrem Gesicht verteilte, fiel ihr Blick auf das kleine Gebilde aus Perlen, das sie dazu benutzte, Buch über ihre Periode zu führen. Die Perlen trugen die Farben der vier Monde, violett, pfauenblau, hellgrün und weiß. Sie schob eine violette Perle nach unten, denn sie hatte bemerkt, daß Liriels Scheibe voll war, und dann starrte sie die Perlen bewegungslos an. Schon vor mindestens zehn Tagen hätte sie eine rote Perle für die Blutung verschieben müssen. Der schreckliche Streit mit Peter und das Elend danach, die anstrengende Arbeit mit Cholayna und Aleki, das alles hatte sie so aufgeregt, daß sie jeden Tag die Perlen mechanisch weiterbewegt hatte, ohne daß es ihr aufgefallen war. War das nichts weiter als eine Störung, die, wie man sie gewarnt hatte, beim Leben in dem künstlichen gelben Licht auftreten konnte? Oder sollte sie schwanger sein? War es Peter bei der ekstatischen Vereinigung, die ihrem Streit gefolgt war, gelungen, sie zu schwängern?
Im ersten Augenblick flackerte tief in ihrem Inneren ein Funken von Freude auf. Sofort folgten ihm Zweifel und Angst. Wollte sie dies wirklich? Wollte sie der Gnade eines kleinen Parasiten in ihrem Körper ausgeliefert sein, wollte sie Übelkeit, Entstellung, die schreckliche Tortur der Geburt, an der ihre Mutter gestorben war? Eine Sekunde lang geisterte ihr Alptraum durch ihren Kopf… Rotes Blut auf dem ausgedörrten Sand eines Wasserlochs unter der aufgehenden Sonne… Sie spürte einen scharfen Schmerz in den Händen. Ohne es zu wissen, hatte sie die
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