Gildenhaus Thendara
verwundet zurücklassen wollte. Sie brachte mich über den ScaravelPaß, wo wir von Banshees angegriffen wurden, und schaffte es allein durch ihre Willenskraft, daß wir alle drei sicher nach Burg Ardais gelangten” Jaelle betastete die dünne rote Narbe auf ihrer Wange und erklärte heftig: „Keine Frau hier hat eine Eidestochter, die sich unter schwerer Belastung treuer erwiesen hat!”
„Aber”, wandte Rafaella ein, „Camilla hat uns erzählt, daß sie unfähig war, sich gegen eine Bande von betrunkenen Räubern zu verteidigen. Und hat sie nicht den einen, der dich verwundete, in einem Fieber aus Blutdurst und Rache statt in disziplinierter Selbstverteidigung getötet? Ich bin überzeugt, sie ist labil und nicht geeignet, eine Klinge zu tragen. Das hat sie vor noch nicht zehn Tagen hier in diesem Haus von neuem bewiesen”
Jaelle fuhr zornig auf: „Rafi, welche Frau ist schon geeignet, eine Klinge zu tragen, wenn sie in dies Haus eintritt? Warum halten wir Schulungssitzungen ab? Doch nur, damit sie lernen, was sie noch nicht wissen! Würdest du Keitha oder Doria ausschicken, das Haus mit dem Schwert zu verteidigen?”
„Doria hätte niemals einen Mann verwundet, der sich schon ergeben hatte”, gab Rafaella gereizt zurück. Mutter Lauria winkte ihr zu schweigen. „Was Doria getan hätte, steht hier nicht zur Debatte. Du hast jedoch eine gute Frage aufgeworfen. Falls Margali in der Zeit, die sie unter uns verbrachte, nichts gelernt hat…”
Magda rückte von Jaelles Hand weg. „Aber ich habe etwas gelernt ehrlich! Ich weiß, daß es falsch war, was ich getan habe…”
„Margali”, sagte Mutter Lauria, „du wirst schweigen, bis du angesprochen wirst”
Magda ließ sich zurücksinken und biß sich auf die Lippe. Mutter Lauria fuhr fort: „Margalis Eid ist in aller Form in Frage gestellt worden, und deshalb müssen drei andere als ihre Eidesmutter für sie
sprechen, und es müssen solche sein, die ihren Eid vor mindestens fünf Jahren abgelegt haben”
Eine merkwürdige Ruhe senkte sich auf Magda nieder. Wenigstens war es jetzt zu Ende. Sie hatte ihr Bestes getan. Im Geist gab sie bereits die geborgten Kleidungsstücke an das Nähzimmer zurück, sammelte ihre paar Besitztümer ein und ging hinaus auf die eisüberzogenen Straßen Thendaras, zum ersten Mal in ihrem Leben völlig allein. Ich habe mir alle Mühe gegeben. Na, Cholayna wird triumphieren. Sie wollte meine Kündigung nicht annehmen. Wußte sie, daß ich versagen würde?
Camilla stellte mit Nachdruck fest: „Wenn ihr Margali hinauswerfen wollt, dann könnt ihr mich gleich mit hinauswerfen! Ja, ich war böse auf sie, ich war so wütend, daß ich sie hätte bewußtlos schlagen können, aber was sie getan hat, war nicht ihre Schuld, sondern meine. Ich hatte sie an meine Seite gestellt, um das Haus zu verteidigen, weil ich wußte, daß sie eine gute Messerkämpferin ist - und in der Hast des Augenblicks glaubte ich, das sei genug. Ich hatte vergessen, daß ihr Geschick einen viel höheren Stand hat als ihre Ausbildung, ich hatte vergessen, daß sie, als sie seit vielen Monden zum ersten Mal wieder Männer sah, mit all der unterdrückten Wut, die wir in den Schulungssitzungen systematisch in ihr angeschürt hatten, sehr wohl die Beherrschung verlieren konnte”
Sie wandte sich Rafaella zu und sagte ernst: „Wenige von uns wissen mit dem Messer umzugehen, wenn sie hierherkommen. Sie lernen es, nachdem sie darin trainiert worden sind, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. Hätte ich mitten in meinem Hausjahr plötzlich Männern gegenübergestanden - ich, die ich als Söldnerin unter Männern gelebt habe
-, ich glaube, ich hätte sie alle umgebracht. Ich weiß nicht, wie Margali sich ihr Können erworben hat, aber sie hat uns ebenso viel zu lehren wie von uns zu lernen. Du weißt es, Rafi, noch heute hast du dir von Margali beim Unterricht im unbewaffneten Kampf helfen lassen! Sie hat viele Fähigkeiten, obwohl sie zur Zeit noch nicht so ausgebildet ist, daß sie sie anderswo als in unserem Waffensaal anwenden darf. Ich hatte vergessen, wie sie zu uns gekommen war und wie sie sich draußen benommen hatte. Es ist meine Aufgabe, so etwas zu wissen, und als meine Wut auf sie verraucht war, wurde mir klar, daß es meine Schuld war und nicht ihre” Sie benutzte die formelhafte Wendung: „Ich werde die volle persönliche Verantwortung für den Fehler auf mich nehmen, der ihre Schwäche bloßlegte”
Sie stand auf und stellte sich neben Magda. Dann
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