Gildenhaus Thendara
sie von ihrer Großmut leben, hält sich, dem Brauch folgend, für verpflichtet, ihm zu dienen und zu gehorchen. Ja, ihr werdet lernen, daß ihr Frauenkleidung tragen könnt, wenn ihr es wollt, nicht, weil ihr es müßt, und zu reden, wie es euch gefällt, nicht Worte und Gedanken aus Angst, man könne euch für unmanierlich oder unweiblich halten, in Fesseln zu schlagen. Aber nichts davon ist das Wichtigste. Mutter Lauria, willst du ihnen sagen, was das Wichtigste ist, das sie lernen werden?”
Mutter Lauria beugte sich ein bißchen vor, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.
„Nichts, was ihr lernen werdet, ist von der geringsten Bedeutung, außer dem einen: Ihr werdet lernen, auf neue Art von euch und von anderen Frauen zu denken”
Der Unterschied liegt in der Art, wie ihr über euch und über andere Frauen denkt. .. Die Gildenmutter hat recht, dachte Magda nüchtern. So, wie sie erzogen worden war, hielt sie es für selbstverständlich, daß sie sich den Lebensunterhalt selbst verdiente, die Akademie des Nachrichtendienstes auf Alpha besucht und dort gelernt hatte, sich im bewaffneten und im unbewaffneten Kampf zu verteidigen. Und in der terranischen Zone gab es keine besonderen Beschränkungen, was Kleidung oder Sprache betraf.
Und doch bin ich ebenso eine Sklavin des Brauchs und der Konvention wie ein Dorfmädchen aus den Kilghardbergen… War es Lady Rohana, die einmal sagte, manche Frauen hielten sich für frei und beschwerten sich doch mit unsichtbaren Ketten?
Auch Männer leiden unter den Ketten des Brauchs und der Konvention. Vielleicht ist die Frau, die es am nötigsten hat, befreit zu werden, die in jedem Mann versteckte Frau… Magda wußte nicht, woher der Gedanke gekommen war. Es war nicht ihr eigener. Ihr war, als habe ihn jemand hier im Raum laut ausgesprochen. Und doch sprach niemand außer Mutter Lauria. Aber was sie sagte, rauschte an Magda vorüber. Magda blinzelte und erwartete, wieder die Gestalt der Frau in Grau und Silber zu sehen, das göttliche Mitgefühl in ihren Augen…Nein, da war keine Spur von ihr, vor ihren Augen war nichts als Graue, in der fremde Gesichter schwammen, Männer und Frauen, und vor ihr schimmerte in der grauen Öde ein hoher weißer Turm…
Eine Stimme - ob die eines Mannes oder einer Frau, konnte Magda nicht unterscheiden - rief: „Hier ist ein Eindringling, jemand hat sich hierher verirrt, vielleicht in einem Traum! Schließt eure Barrieren!”
Und plötzlich war die Graue verschwunden, und Camilla fuhr sie an: „Margali, bist du hier mitten unter uns eingeschlafen? Ich habe dir eine Frage gestellt!”
Magda hatte völlig die Orientierung verloren. Sie sagte: „Ich bitte um Entschuldigung, meine Gedanken sind - abgeirrt.” Genau so war es gewesen, dachte sie, aber wohin waren sie abgeirrt? „Es tut mir leid, ich habe nicht gehört, was du mich gefragt hast, Eidesschwester.” „Was hältst du für den wichtigsten Unterschied zwischen Männern und Frauen?”
Magda wußte nicht, ob Keitha oder Doria die Frage schon beantwortet hatten; sie hatte keine Ahnung, wie lange ihr Geist in dem grauen Ödland dahingetrieben war. Die Gesichter, die sie dort gesehen hatte, das Bild der Frau, die eine Gedankenform der Göttin Avarra sein mußte, füllten immer noch ihr Gehirn. Sich bemühend, die zerstreuten Gedanken zu sammeln, sagte sie: „Ich glaube, nur der weibliche Körper macht den Unterschied aus” Das war die aufgeklärte terranische Antwort, und Magda war überzeugt, daß es die richtige war. Der einzige Unterschied war der physische. „Frauen sind der Schwangerschaft und der Menstruation unterworfen, sie sind im allgemeinen etwas kleiner und leichter, sie leiden nicht so sehr unter Kälte, ihr .. “Sie hielt inne, weil sie bezweifelte, daß die anderen es verstehen würden, wenn sie sagte, der Schwerpunkt ihrer Körper liege tiefer. „Ihre Körper sind anders, und das ist der Hauptunterschied”
„Blödsinn”, sagte Camilla barsch. Sie wies auf ihren dürren, geschlechtslosen Körper, dessen Arme muskelbepackt wie bei einem Mann waren. Camilla war eine emmasca, eine Frau, die durch eine Operation zum Neutrum gemacht worden war. „Und was bin ich dann, ein Banshee?” Vor dem zornigen Blick in den Augen der Älteren sagte Magda bescheiden: „Ich weiß es nicht. Ich dachte - mir ist gesagt worden -, ein Neutrum, eine emmasca, habe sich dazu machen lassen, weil sie sich weigerte, an sich selbst als eine Frau zu denken”
Camilla faßte Magdas Hand und
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