Girlfriend in a Coma
Verpockt und verpickelt. In den Dreck gezogen von ihren abartigen Teenager-Freunden, die anderer Leute Häuser verwüsten. Und dann saßen wir bis weit in den nächsten Tag hinein schweigend da, sechs Freunde, armselige Übeltäter, in dem Gefühl, Strafe zu verdienen. Wir nippten an albernen Pappkegeln mit Foremost-Eggnog, die uns eine Krankenschwester gebracht hatte, als sie von der Nachtschicht nach Hause ging, malten uns aus, was uns alles für Unannehmlichkeiten bevorstehen mochten, und geißelten uns mit Schweigen. Sonntag morgen. Gewiß machten die Neuigkeiten bei den Leuten aus der Schule schon die Runde - den Frühaufstehern, die zum Eis- oder Skilaufen loszogen. Karens Zustand würde auf glamouröse Weise mit der Party in Verbindung gebracht werden, als ob das verwüstete Haus der eigentliche Grund für ihre Krankheit wäre. Und Drogen. Mein Bein schlief ein, und ich ging auf die Toilette. Dort suchte ich mir eine Kabine und atmete tief durch. Der Umschlag in, meiner Jacke fiel mir wieder ein. Ich öffnete ihn. Auf Ringbuchpapier stand da:
15. Dezember... noch 6 Tage bis Hawaii!!!
Merken: Pammie anrufen wegen Perlen zum Zöpfchenflechten. Außerdem Termin für Strähnchen.
Hi Beb, Karen hier.
Wenn Du das hier liest, bist du entweder a) der größte Drecksack der Welt, und ich hasse Dich dafür, daß Du so neugierig bist, oder b) es ist etwas sehr Schlimmes passiert, und jetzt ist der Tag danach. Ich hoffe, daß nichts davon stimmt! Warum ich das hier schreibe? Das frage ich mich auch. Ich komme mir vor, als würde ich eine Versicherung abschließen, bevor ich in ein Flugzeug steige.
Ich habe diese Woche so seltsame Visionen gehabt. Womöglich habe ich Dir sogar davon erzählt. Wie auch immer. Normalerweise drehen sich meine Träume um Sachen, die nicht aufregender sind als, sagen wir, Reiten oder Schwimmen oder mit Mom streiten (wobei ich gewinne!!), aber diese neuen Dinge, die ich gesehen habe - das sind keine Träume.
Wenn im Fernsehen jemand das Gesicht, des Bankräubers erkennt, wird er erschossen oder als Geisel genommen, stimmt's? Ich habe so ein Gefühl, als würde man mich als Geisel nehmen - ich habe mehr gesehen, als ich sollte. Ich weiß nicht, wie es passieren wird. Diese Stimmen - sie streiten miteinander - eine klingt sogar wie Jared - und diese Stimmen streiten miteinander, während ich Teile der (klingt das blöd!) Zukunft zu sehen bekomme!! Dunkel ist es dort - in der Zukunft, meine ich. Es ist kein guter Ort. Alle Leute wirken so alt, und unser Viertel sieht total scheiße aus (entschuldige meine Ausdrucksweise!!). Ich schreibe diesen Brief, weil ich Angst habe. Es ist albern. Ich bin bescheuert. Am liebsten würde ich tausend Jahre schlafen - dann müßte ich nicht dabeisein, wenn diese merkwürdige neue Zukunft kommt.
Sag Mom und Dad, ich werde sie vermissen. Und säg der Clique für mich auf Wiedersehen. Und dann noch, Richard, könnte ich Dich um einen Gefallen bitten? Könntest Du auf mich warten ? Ich komme wieder, wo auch immer ich jetzt hingehe. Ich weiß nicht, wann, aber ich komme wieder. Ich glaube nicht, daß mein Herz rein ist, aber schwarz ist es auch nicht. Ich weiß nicht mal mehr, wann ich das letztemal gelogen habe. Jetzt gehe ich mit Wendy und Pammie in Park Royal Weihnachtseinkäufe machen. Heute abend gehe ich mit Dir Ski laufen. Wenn Du mir dies hier morgen UNGEÖFFNET zurückgibst, werde ich es zerreißen. Gott schaut zu.
xox Karen.
Ich hielt es für das beste, Mr. und Mrs. McNeil den Brief nicht gleich zu zeigen; er würde sie nur verwirren, ohne Trost zu spenden. Ich stopfte ihn wieder in die Innentasche meiner Skijacke, saß da und dachte daran, wie ich früher schon diese Toilette benutzt hatte, damals, als Jared im Krankenhaus lag, bevor er uns und diese Welt Atom für Atom verließ.
Ich dachte an Karen auf der Intensivstation, und ich hatte das Gefühl, ich würde meinen Freunden nur Unglück bringen. Ich stand auf und kehrte ins Wartezimmer zurück. Mir tat alles weh. Eine Stunde später, als die Korridore leer genug schienen, schlüpften wir zu Karen hinein. Die Maschinerie ihres neuen Leben hatte ihren Betrieb bereits voll aufgenommen - die Infusionen, Beatmungsgeräte, Schläuche und Monitore. Ein Pfleger scheuchte uns wieder hinaus, und wir trotteten zum Ausgang. Die Welt war nicht länger eine Arena der Träume - sie war nur noch eine Arena.
Die Polizei von West Vancouver verhörte uns alle an jenem Nachmittag unten auf der Wache
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