Girls Game
mein Leben damals und heute weitaus weniger bunt und das hier womöglich nie geschrieben worden.
Die nächsten Jahre, die nächste Beziehung. Und was für eine! Endlich begegnete ich meiner absoluten Traumfrau, die sich auch noch in mich verliebte und drei Monate danach um meine Hand anhielt. Hatte ich am selben Tag vor, nur einige Stunden später. Hätte mir zu denken geben müssen. Frauen und pünktlich! Aber ich selbst war derart verliebt, dass sich irgendwelche Zweifel und mein weibliches Alter Ego ziemlich zügig in rosa Rauch auflösten. Zeitweise.
Über drei Jahre dauerte diese grandiose, umfassende, verzehrende, gnadenlose Liebe. Über 13 Jahre der folgende, schleichende Niedergang. Die bisher schönste und schrecklichste Zeit meines Lebens. Unaufhaltsam verlor sich unsere Ehe zwischen unserer beider exzessartigen Arbeitsmanie und ihrem mindestens genauso radikal betriebenem Leistungssport. Keine Kompromisse. Langstrecke. Marathon.
Mir blieb auf die Dauer keine Wahl. Und kein bisschen Raum. Selbst bekennender Workaholic und daher voller Verständnis für Wochenend- und Feiertagsarbeit, hatte ich auch diesmal die dunklen Zeichen am Horizont des Lebens übersehen. Das Ende kam abrupt, aber nicht überraschend. Und sehr friedlich, wofür ich ihr wirklich dankbar bin. Und nicht nur dafür.
Trotzdem. Es war vorbei. Die grosse Liebe… perdu.
Das war‘s also. Dachte ich. Aus und vorbei. So sieht er immer aus, der Moment, in dem die Jungs in Hollywood hektisch den Abspann hochkurbeln und die Hauptbeleuchtung im Kino zum Heimgehen auffordert. Der Plot ist durch, die Story erzählt, das Happy End wieder irgendwie verpasst – war aber doch ganz spannend, oder? Zwar nicht ganz das, was ich vom Leben erwartet hatte … aber, na ja, so schlecht ja nun auch wieder nicht.
Mehr geht eben nicht.
Muss ja auch nicht sein.
Hatte ich mir so gedacht. Und nicht mit den wundersamen Untiefen des Schicksals gerechnet. Und den erstaunlichen Links des WorldWideWeb.
Natürlich war es erstmal rein männliche Neugier, die mich an allen erreichbaren Türchen des unendlichen Internets rütteln liess. Wir nennen es mal „Forscherdrang“, schlagen den unübersehbaren Bogen zum Anfang der Geschichte und lassen „Ihn“ mal wieder unbekannte Welten erobern. Genau wie Captain Kirk, Kolumbus… aber das hatten wir ja schon.
Auch das war erstmal eine völlig unbekannte Welt: Basare der unerfüllten Wünsche und Einsamkeiten, Treffpunkte virtueller Sehnsüchte und ganz realer Menschen. Denn das vermeintlich sterile Wörtchen-Wechsel-Dich-Spiel entpuppte sich ungeahnt rasch als idealer Spielplatz meiner ewig ungenutzten Flirt-Möglichkeiten. In meinen langjährigen Beziehungen war ich treu bis an die Grenze des Vorstellbaren.
Jetzt brachen alle Dämme. Gleichzeitig.
Ziemlich zügig blieb von einem Dutzend brauchbar erscheinender Anbahnungsportale nur eine Handvoll wirklich ertragreicher übrig. Schon deren kaum überschaubares Angebot verwandelte Nächte in Chat-Paradiese und liess meinen Google-Terminkalender in kurzer Zeit bersten: nicht genug Farbauswahl, um die einbrechende Date-Flut einigermassen übersichtlich zu halten. Und was für Dates! Hätte mir das einer mit sechzehn prognostiziert, hätte sich mein damaliger Seelenzustand entspannt zurückgelehnt und verheissungsvolle Zukunftsprognosen abgewartet.
Na ja. Besser spät als nie. Dachte ich.
Und machte Dates ohne Ende.
Was war das für eine prächtige Welt! Ein paar Suchfunktionen hier, ein paar Einschränkungen da… dann ein virtuelles Lächeln und einige kreativ-freundliche Sätzchen! Und schon kam ich mit den interessantesten Mädels ins Gespräch. Und weit mehr. Ich hatte schonfrüh begriffen, dass sich zwischen meinen getippten Zeilen geradezu Unglaubliches tat: unerwartete Emotion, eine fast schon körperliche Nähe purzelte da aus den Tasten und eröffnete mir erstaunliche Lebensgeschichten und faszinierende Begegnungen.
Da war diese süsse Tierärztin, zuständig für das Wohlergehen von zigtausend Schafen und regelmässig in den schönsten Landschaften unterwegs, um ihrer blökenden Kundschaft die vorbeugende Spritze zu verpassen. Der Nachmittag in Münchens englischem Garten – wie ein Watteau-Gemälde: ländlich, idyllisch, rundum romantisch. Ich sah mich, Lämmchen-streichelnd und mit Münchens einzigem Schäfer plaudernd, schon an ihrer Seite, von Schafweide zu Schafweide ziehen. Es blieb… ein wunderschönes Bild.
Oder der denkwürdige Tag in
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