GK0098 - Bruderschaft des Satans
die schlimmsten.«
Die Männer gingen weiter.
Still war es. Keine Tierstimme, kein Laut – nichts. Nicht einmal ein Windhauch fuhr durch das grüne Blätterdach der Bäume.
Diese Art Nächte waren gefährlich. Da waren die Menschen gereizt. Ein geringer Anlaß genügte oft, und es gab Mord und Totschlag.
John Sinclair konnte davon ein Lied singen. Schließlich war er schon einige Jährchen bei New Scotland Yard.
Dann sahen sie das Kloster. Wie ein großes Ungeheuer ragten die Mauern in das Dunkel der Nacht.
John, der in der Deckung eines Baumes stehengeblieben war, suchte das Gelände ab.
Er entdeckte nichts. Kein Mensch, kein Lebewesen war zu sehen.
John gab dem jungen Bürgermeister ein Zeichen. Dann löste sich der Inspektor aus seiner Deckung.
Die Männer gelangten durch das Tor auf den Innenhof. Auch hier war es still.
»Sind Sie ganz sicher, daß die Teufelsmönche auch kommen werden?« fragte John flüsternd.
»Was heißt sicher? Ich habe Ihnen selbst die alten Chroniken gezeigt. Dort steht es wenigstens geschrieben, daß sie ihre Blutorgien immer nachts feiern.«
Pierres Stimme versagte. Unwillkürlich hatte er an Germaine gedacht. Hart preßte er die Lippen zusammen. Seine Wangenmuskeln zuckten.
John legte dem Bürgermeister die Hand auf die Schulter. »Kopf hoch, Pierre. Wir werden den Geistern schon das Fürchten beibringen.«
Sie schlichen weiter und erreichten den Kreuzgang, diesen hohen Säulengang, der sich an der Vorderseite des Klosters entlangzog.
Plötzlich zupfte Pierre den Inspektor am Ärmel. »Dort ist der Eingang.«
John ging voraus. Er wußte aus Lefèvres Erzählungen, daß die Tür offen war.
Es stimmte.
Knarrend schwang sie nach innen.
Die Männer hielten den Atem an. Wenn sie bis jetzt niemand gehört hatte, dann…
Es geschah nichts.
John und Pierre tauchten in das Dunkel des Klosters. Der Bürgermeister hielt längst eine Taschenlampe in der Hand. Der helle Lichtfinger wanderte über einen langen Tisch und Stühle.
»Genau wie es Lefèvre gesagt hat«, raunte Pierre. »Da ist auch die Tür zur Bibliothek.«
Auf Zehenspitzen näherten sich die Männer der Tür. Auch sie schwang leicht zurück.
Hohe, bis an die Decke reichende Bücherregale gähnten ihnen entgegen. John und Pierre hatten keine Ahnung, wo die vielen Bücher hingekommen waren. Schade um das wertvolle Schriftgut.
»Weiter ist Lefèvre auch nicht gekommen«, sagte Pierre Saval flüsternd. »Es gibt aber auch keinen anderen Ausgang oder eine Tür.«
John wiegte den Kopf. »Ich tippe eher auf einen Geheimgang.«
»Den aber finden«, erwiderte Pierre. »Der Inspektor hat es auch versucht…«
»Vielleicht nicht gründlich genug«, meinte John und übergab dem Bürgermeister den Kelch des Feuers.
Dafür holte er seine Lampe hervor und leuchtete in die leeren Fächer.
Fingerdick lag der Staub, und John unterdrückte mehr als einmal ein Niesen.
Auf einmal stieß Pierre Saval einen Zischlaut aus. »John«, hauchte er. »Sie singen. Hören Sie nicht?«
Inspektor Sinclair blieb stehen, lauschte.
Tatsächlich, jetzt hörte er es auch.
Der Gesang der Teufelsmönche! Er war noch schwach, nicht mehr als ein Summen, und schien aus den Tiefen der Erde zu kommen.
»Wir sind richtig, John«, flüsterte Pierre. »Sie kommen. Ich spüre es.«
»Ruhig!« zischte John.
Der Gesang war lauter geworden. Es schien, als käme er geradewegs auf die Bibliothek zu.
Der Geisterjäger zog Pierre herum. »Los, weg hier!«
»Aber warum? Wir…«
»Wir werden sie draußen erwarten«, sagte John.
Die Männer hasteten durch die Bibliothek. John zog die Tür nicht ganz zu, sondern ließ einen Spalt offen, um alles genau beobachten zu können.
Sekunden später entdeckte John das finstere Geheimnis der Mönche.
Ein großes Regal schwang wie von unsichtbaren Händen geschoben zur Seite. Gleichzeitig erfüllte der Gesang der Mönche die Bibliothek. Ein Brausen wie aus der tiefsten Hölle durchfuhr den Raum. Der Choral des Satans.
Der Gesang schmerzte. Pierre preßte schon die Hände gegen seine Ohren.
Und dann tauchten die Teufelsmönche auf.
Große Gestalten mit grünlich schimmernden Gesichtern. In einer gespenstischen Prozession schritten sie auf die Tür zu, die zum Speiseraum führte.
Plötzlich zuckte Pierre Saval zusammen. Er hatte Germaine Bousseau gesehen. Der erste Mönch trug die reglose Frau auf den Armen.
Pierre wollte aufspringen, ihm entgegenlaufen, doch John drückte den jungen Bürgermeister zurück
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