GK0129 - Das Phantom von Soho
rechte Hälfte des Ehebettes war aufgedeckt. Dort schlief Hugh Crayton.
Gemächlich zog er sich aus. Im Pyjama ging er ins Bad, wusch sich und putzte die Zähne.
Als er in den Spiegel sah, erschrak er über sich selbst. Tiefe Ringe lagen unter seinen Augen. Er sah aus, als hätte er nächtelang durchgefeiert. Die Haut war bleich geworden, und das sonst so sorgfältig gekämmte Haar hing ihm wirr in die Stirn.
Hugh Crayton löschte das Licht und ging wieder zurück in sein Schlafzimmer. Aufstöhnend legte er sich ins Bett. Die Nachttischlampe ließ er brennen.
Der ehemalige Richter lag auf dem Rücken, die Augen hatte er geöffnet. Obwohl er sich ziemlich erschöpft fühlte, fand er keinen Schlaf, sondern starrte nur die Decke an.
Die Stille war erdrückend. Sie wurde nur durch Craytons Atemzüge unterbrochen. Vom nahen Friedhof schlug die Kirchturmuhr 12 Mal.
Mitternacht!
Hugh Crayton, der ein wenig eingeschlafen war, zuckte zusammen. Angespannt lauschte er auf die Schläge. Unwillkürlich kam ihm der Begriff Geisterstunde in den Sinn.
Der letzte Schlag verhallte. Und gleichzeitig bewegte sich die Tür des Schlafzimmers.
Zoll für Zoll wurde sie nach innen gedrückt.
Hugh Crayton hielt den Atem an. Angst überkam ihn. Sein Herz begann zu hämmern. Hart und wild schlug es gegen die Rippen. Schweiß bedeckte die Stirn, sammelte sich zu Tropfen und floß in die Augenbrauen.
Hugh Crayton ahnte, daß der Tod gekommen war.
Jetzt war die Tür schon zur Hälfte aufgeschwungen. Crayton lag so ungünstig, daß er nicht sehen konnte, wer sich draußen auf dem Flur verbarg.
Und dann hörte er wieder das Kichern. Bösartig, teuflisch hallte es durch das Zimmer.
»Ich komme, Euer Ehren!« zischte eine Stimme. »Ich komme, wie ich es versprochen habe…«
Angstschauerjagten über den Rücken des pensionierten Richters. Er wußte plötzlich, daß er verloren war, daß das Phantom von Soho seine Drohung wahrgemacht hatte.
Ein Schatten tauchte auf! Groß, drohend.
Wie ein riesiges Ungeheuer fiel der Schatten an die Wand des Schlafzimmers und zerfloß in wilden, ruckartigen Bewegungen.
Hugh Crayton spürte den Hauch der tödlichen Gefahr, der ihn umschwebte. Mit Gewalt mußte er seinen Blick von dem Schatten an der Wand loslösen, sah wieder zur Tür, und im gleichen Augenblick stockte sein Herzschlag.
Im Raum stand Monty Parker, das Phantom von Soho!
Die Finger seiner rechten Hand umklammerten das Messer mit der blutbefleckten Klinge.
»Deine Zeit ist um, Richter!« hörte Hugh Crayton die heisere Stimme des Phantoms.
Crayton wollte etwas sagen, wollte sich wenigstens verteidigen, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Nicht ein einziges Wort drang über seine Lippen.
Und das Phantom kam immer näher.
In einer instinktiven Abwehrbewegung streckte Hugh Crayton beide Arme aus, wollte den Mörder fassen, doch seine Hände griffen ins Leere.
Ja, sie griffen sogar durch die Gestalt hindurch.
Hugh Crayton kam nicht mehr dazu, über diese Ungeheuerlichkeit nachdenken zu können, denn das Phantom war plötzlich über ihm, und der messerbewehrte Arm raste mit ungeheurer Wucht nieder. In Craytons Brust.
In diesem Augenblick läutete unten im Arbeitszimmer das Telefon.
***
»Au, verdammt, daß ich das auch vergessen mußte!« Mit diesen Worten sprang Simon Blocker aus seinem Bett. Rasch knipste er die Nachttischlampe an.
Seine Frau, die schon geschlafen hatte, blinzelte verstört in das Licht.
»Was ist denn los, Simon?« fragte sie, als sie sah, daß Simon sich den Bademantel über die Schultern warf und in seine Pantoffeln schlüpfte.
Simon Blocker schlang den Gürtel vor dem Bauch zusammen. »Ich habe dir doch von Hugh Crayton erzählt. Daß sich Hugh heute nicht wohl fühlte. Und daß seine Frau verreist und er ganz allein im Haus ist.«
»Ja, sicher hast du mir davon berichtet. Ist das der Grund, weshalb du jetzt aufstehst? Schließlich haben wir«, Mrs. Blocker drehte sich auf die Seite und warf einen Blick auf den Wecker. »Mitternacht ist schon vorüber. Du kannst doch jetzt nicht bei anderen Leuten anrufen.«
Simon Blocker war schon an der Tür. »Hugh Crayton ist kein Fremder. Und außerdem habe ich es ihm versprochen. Glaub mir, Lydia, es ging ihm wirklich nicht gut.«
»Na, meinetwegen.« Lydia Blocker ließ sich wieder in die Kissen fallen. Wenn sich ihr Mann einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ er sich auch so leicht nicht umstimmen.
Simon Blocker ging in den Living-room. Er machte Licht
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