GK0129 - Das Phantom von Soho
und klappte den leinenen Schreibblock auf, der neben dem Telefon lag.
Er hatte Hugh Craytons Nummer schnell gefunden. Telefonnummern konnte sich Simon Blocker nie merken. Die mußte er immer notieren.
Achtmal ließ Blocker durchläuten. Und als beim neunten Mal niemand abhob, warf er verärgert den Hörer auf die Gabel. »Der hat einen Schlaf wie ein Bär im Winter«, murmelte er.
Blocker zog fröstelnd den Bademantel enger und ging wieder zurück ins Schlafzimmer.
Seine bessere Hälfte war noch wach. »Na, hast du Erfolg gehabt?«
Blocker schloß die Tür und schüttelte den Kopf. »Es hat niemand abgehoben. So einen guten Schlaf möchte ich auch mal haben.« Simon Blocker zog den Bademantel aus und setzte sich auf die Bettkante.
»Vielleicht konnte er auch nicht an den Apparat gehen, Simon.«
»Wie meinst du das?« Blocker schwang herum und blickte seine Frau an.
»Es kann doch sein, daß ihm was zugestoßen ist. Ich habe neulich erst in einem Roman gelesen…«
»Ach hör auf mit deinen Krimis. Was sollte Hugh denn zustoßen? Und so krank war er nun auch nicht. Nein, ich kann dir genau sagen, was geschehen ist. Hugh hatte bestimmt zwei Tabletten genommen und sich hingelegt. Und er schläft außerdem in der oberen Etage. Da kann man das Läuten des Telefons schon mal leicht überhören.«
»Du mußt es ja wissen«, sagte Lydia Blocker spitz. »Und ob ich das weiß«, knurrte Simon, löschte das Licht und drehte sich auf die rechte Seite, die er immer als seine Schlafseite bezeichnete.
Doch einschlafen konnte er nicht. Simon Blocker hatte das unbestimmte Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben.
***
Gleich nach dem Frühstück hielt es Simon Blocker nicht mehr länger aus.
»Ich fahre zu Hugh«, sagte er zu seiner Frau.
»Sieh lieber mal nach draußen.«
Simon Blocker blickte durch die Scheibe. Fußhoch lag der Schnee auf den Straßen und Bürgersteigen. Manch wackerer Mann war dabei, seinen Hauseingang freizuschaufeln. Das Ratschen der Schneeschieber fiel Simon Blocker auf die Nerven.
»Meinetwegen kann es Ziegelsteine regnen«, sagte er zu seiner Frau. »Ich fahre.«
Blocker zog sich den Mantel über und ging nach draußen. Schwer und grau hingen die dicken Wolken am Himmel. Es konnte jeden Augenblick wieder anfangen zu schneien.
Zum Glück konnte Blocker noch seine Garage erreichen. Er klappte das Tor hoch und stieg in den Austin. Der Anlasser orgelte ein paar Mal, darin sprang der Wagen an.
Für die Strecke nach Hoxton benötigte Simon Blocker knapp 30 Minuten. Streu- und Räumfahrzeuge waren unterwegs, um wenigstens den größten Schneematsch zu beseitigen.
Blocker parkte vor Craytons Haus. Er stieg aus, ging durch den kleinen Vorgarten und schellte.
Nichts rührte sich.
In Simon Blocker machte sich ein komisches Gefühl breit. Er trat einige Schritte zurück und ließ seinen Blick an der Hausfassade entlang wandern.
Die Fenster waren geschlossen, sämtliche Scheiben beschlagen. Sollte Hugh Crayton noch schlafen?
Noch einmal schellte Simon Blocker. Wieder vergebens.
»Da stimmt was nicht«, sagte der Mann, setzte sich in seinen Wagen und fuhr zum nächsten Polizeirevier. Dort erklärte er dem Dienststellenleiter die Situation und sprach auch den Verdacht aus, daß Hugh Crayton unter Umständen etwas zugestoßen sein könnte.
Der Dienststellenleiter schickte einen Beamten mit. Mit einem Spezialwerkzeug öffnete dieser das Schloß – der Haustür.
Stille empfing die beiden Männer. »Hugh«, rief Simon Blocker. »He, Hugh, hörst du mich?«
Keine Reaktion.
»Das Schlafzimmer liegt oben«, sagte Blocker. »Kommen Sie.«
Der Polizist wiegte den Kopf. »Wohl ist mir bei dieser Aktion nicht«, meinte er. »Wir können Schwierigkeiten bekommen, wenn…«
Blocker winkte ab. »Das lassen Sie mal meine Sorge sein. Nein, nein, Mister Crayton wird unser Vorhaben schon gutheißen, keine Angst.«
Simon Blocker ging schnell die Stufen hoch. Es wunderte ihn, daß die Tür des Schlafzimmers halb offen stand.
Blocker stieß sie ganz auf und betrat das Schlafzimmer. Nach zwei Schritten blieb er stehen, als sei er gegen eine Wand gelaufen. Das nackte Entsetzen überfiel ihn, als er das Bild sah, das sich seinen Augen bot.
Hugh Crayton, der ehemalige Richter, lag auf seinem Bett – inmitten einer großen Blutlache…
***
Oberinspektor Sinclair ärgerte sich genau wie viele andere Berufstätige auch über das Wetter. Er hatte an sich nichts gegen den Winter, ganz im Gegenteil, nur die Großstadt
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