GK0137 - Das Todeskabinett
Larrys Ohren schrillte.
Was ging hinter der Tür vor?
Larrys Körper war verkrampft, seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt, die Fingernägel schnitten in das Fleisch. Er spürte den Drang in sich, die Tür zu öffnen, doch dann hielt ihn wieder die Angst davon ab.
Er hatte plötzlich die Vision, in dem Verlies würden gräßliche Ungeheuer auf ihn warten, um ihn umzubringen.
Larry richtete sich auf. Die kreischenden Geräusche waren verstummt, dafür vernahm er jetzt einen monotonen Singsang aus dumpfen, für Larrys Ohren unheimlichen Lauten, die ihm von Beginn an Angst und Grauen einflößten.
Larry Harker hielt es nicht mehr aus. Er wollte plötzlich gar nicht mehr wissen, was hinter der Tür geschah, für ihn gab es nur noch eins.
Weg von hier! Weg aus diesem unheimlichen Keller, in dem es nicht mit rechten Dingen zuging und in dem die Angst nistete.
Larry lief so schnell es ging zurück. In der Dunkelheit übersah er die erste Stufe und stieß mit dem rechten Schienbein schmerzhaft gegen die Kante.
Larry verzog das Gesicht. Er hätte schreien können, doch er verbiß sich den glühenden Schmerz. Die Angst vor einer Entdeckung war noch größer.
Auf allen vieren kroch Larry die Treppe hoch und erreichte unbeschadet die Tür.
Wie ein Betrunkener wankte er durch das Erdgeschoß des Hauses, erreichte die Treppe zum ersten Stock und stolperte sie hinauf.
Er warf sich gegen die Tür seines Zimmers und ließ sich auf das Bett fallen.
Schweratmend lag er auf dem Rücken und zitterte am gesamten Körper. Was er erlebt hatte, war so ungeheuerlich, daß er mit niemandem darüber reden konnte. Sicher, seine Tanten waren schon immer etwas schrullig gewesen, und er hatte sich auch immer darüber gewundert, daß die Tür zum Keller verschlossen war, aber was die beiden Frauen dort im Keller trieben, darüber hatte er nie nachgedacht. Er hatte die entsprechenden Gedanken einfach verdrängt.
Plötzlich hörte er Stimmen. Sie kamen aus dem Erdgeschoß, und Larry hörte deutlich, wie Tante Lydia sagte: »Ich sehe mal nach.«
Mit einem Satz sprang Larry Harker vom Bett. Er riß sich den Morgenmantel vom Körper und hängte ihn in den Schrank. Dann löschte er das Licht und kroch unter die Decke.
Schritte kamen die Treppe hoch.
Larry hielt den Atem an, tat, als ob er schliefe.
Die Schritte verhielten vor seiner Tür.
»Larry?« Das war Tante Lydias Stimme.
Der junge Mann gab keine Antwort. Er hatte sich auf die Seite gedreht und die Augen halb geöffnet.
Trotz der schlechten Lichtverhältnisse erkannte Larry, wie die Klinke nach unten gedrückt wurde, und wenig später stand Tante Lydia in seinem Zimmer.
»Schläfst du schon, Larry?«
Der junge Mann gab keine Antwort, er versuchte nur, tief und regelmäßig zu atmen.
»Warum verstellst du dich, Larry?« Lydia Bradford drückte den Lichtschalter, und die Deckenleuchte flammte auf.
Zwei Schritte, und Lydia stand neben Larrys Bett. Den linken Arm hatte sie auf dem Rücken verborgen.
Larry wußte, daß er seiner Tante nichts vormachen konnte, und öffnete die Augen.
Lydia Bradfords Lächeln war falsch wie ihre Zähne, als sie fragte: »Warst du noch einmal unten, Larry?«
»Ich? Wieso? Nein…«
»Warum lügst du, Larry. Du warst unten. Und ich kann es auch beweisen. Hier.«
Im gleichen Atemzug kam Lydia Bradfords Hand hinter dem Rücken hervor. Zwischen ihren Fingern hielt sie Larrys Pantoffel. »Du hast ihn verloren, Larry…«
***
Jetzt ist alles aus! Wie eine Flamme schoß der Gedanke in Larry Harker hoch. Er wurde rot und konnte es nicht verhindern. Schon als kleiner Junge hatte er nicht dagegen angekonnt.
»Willst du mir nicht die Wahrheit sagen, Larry?«
Der junge Mann setzte sich im Bett auf. Noch immer starrte er auf den Pantoffel, während sich hinter seiner Stirn fieberhaft die Gedanken jagten.
»Es war so, Tante Lydia. Ich – ich konnte nicht schlafen. Ich war einfach zu aufgewühlt. Und plötzlich bekam ich riesigen Durst. Ich bin aufgestanden, habe nach euch gerufen, und als ich keine Antwort erhielt, bin ich einfach nach unten gegangen. Ich…«
»Und dann hast du dir etwas aus dem Kühlschrank genommen«, unterbrach Lydia Bradford ihn.
»Ja«, sagte Larry schnell und erleichtert. »So war es.«
Lydia Bradford ließ den Pantoffel fallen. »Ich habe ihn unten an der Treppe gefunden. Du mußt sehr schnell hochgelaufen sein.«
Larry senkte den Kopf. »Ja, ich hatte ein schlechtes Gewissen«, sagte er leise.
»Aber das brauchst du
Weitere Kostenlose Bücher