GK0137 - Das Todeskabinett
den beiden Zwillingsschwestern zusammengestoßen, doch im letzten Moment konnte sie zur Seite springen.
Verblüfft sahen ihr Lydia und Emily Bradford nach.
Lydia fing sich als erste. »Da ist was passiert!« stieß sie hervor und lief ins Haus.
Larry Harker saß totenblaß im Livingroom. »Tante Lydia«, rief er, »gut, daß du da bist.«
»Mein Junge!« Lydia Bradford zog Larry aus dem Sessel. »Was ist geschehen?«
»Diese Janet Sturgess, sie – sie ist eine Freundin von Milly Day. Sie hält mich für den Mörder und hat es mir mitten ins Gesicht gesagt.«
»So ist das also«, meinte Lydia Bradford. »Ich glaube, wir müssen uns um die Kleine mal kümmern«, sagte sie, zu ihrer Schwester gewandt, und nur Emily konnte das teuflische Funkeln in ihren Augen sehen…
***
Die Ansichtskarte aus Tunesien zeigte einen strahlendblauen Himmel und einen weißgelben Sandstrand, auf dem sich unzählige Bikinimädchen tummelten.
Oberinspektor Sinclair drehte die Karte um und sah auf die Rückseite.
Viele Grüße, Deine Jane, stand dort.
John Sinclair legte die Stirn in Falten. Jane Collins hatte die Karte geschrieben. Die Detektivin tummelte sich momentan am Strand des Mittelmeeres, um sich von dem letzten haarsträubenden Abenteuer zu erholen. Sie war zusammen mit John Sinclair auf den Orkney-Inseln gewesen. Gemeinsam hatten sie dort gegen die Ungeheuer der Drachenburg gekämpft, und während Jane ein paar Wochen ausspannen konnte, hockte John Sinclair in seinem Büro und wagte vom Urlaub nicht einmal zu träumen.
Manchmal waren im Leben die Karten ziemlich ungerecht verteilt.
Der jüngste Oberinspektor im Yard tippte an seinem Bericht über den letzten Fall. Und das schon seit drei Tagen, denn Schreibtischarbeit haßte John wie ein Vampir die Sonne.
Wenn er nach draußen sah, tat der trübe Januartag noch sein Übriges, um Johns Laune um einige Grade zu verschlechtern. Selbst die Zigarette schmeckte ihm nicht, und da es im Büro ziemlich stickig war, drehte John die Heizung ab.
Er hatte sich gerade wieder hingesetzt, als das Telefon läutete.
John war über jede ›Störung‹ dankbar und meldete sich mit einem forschen: »Sinclair!«
»Kommen Sie doch mal rüber, Oberinspektor«, schallte John die Stimme seines Chefs, Superintendent Powell, entgegen.
»Gut, Sir, ich bin in wenigen Minuten bei Ihnen.«
John Sinclair stand auf und schlüpfte in sein Jackett. Der Oberinspektor war ein großer, durchtrainierter Mann mit stahlblauen Augen und kurzgeschnittenen blonden Haaren. Seine Mundwinkel schienen immer zu einem Lächeln verzogen zu sein, und auf seiner rechten Wange prangte eine fingerlange Narbe. Ein Andenken an Doktor Tod, seinen bisher stärksten Gegner.
John Sinclair war ein As auf seinem Gebiet. Er bekam die Fälle zugewiesen, die ins Übersinnliche, Okkulte spielten. Und da ließ es sich nicht vermeiden, daß er dann und wann auf Vampire, Dämonen oder Werwölfe stieß. Doch John Sinclair – scherzhaft auch Geister-Jäger genannt – hatte im Laufe der Zeit Methoden entwickelt, um auch den Mächten der Finsternis zu trotzen.
Das Büro seines Chefs befand sich auf der gleichen Etage.
Superintendent Powell war nicht allein. In dem Besuchersessel saß ein Mann, den John Sinclair vom Bildschirm her kannte. Er spielte in der Politik eine Rolle und galt als ziemlich aggressiv und unbequem. John mochte ihn nicht besonders, ließ es sich aber nicht anmerken.
Der Oberinspektor brauchte nur in Powells Gesicht zu sehen, um zu merken, daß der Superintendent von dem Besuch auch nicht gerade angetan war.
Als John die schalldichte Tür hinter sich geschlossen hatte, blickte der Besucher hoch. Er hatte ein leicht gerötetes Gesicht mit einer kleinen, schon fast weiblichen Nase und flachem Kinn. Sein dunkelblauer Nadelstreifenanzug saß wie angegossen, das Hemd war blütenweiß, und John erkannte, daß der Mann eine schwarze Krawatte trug.
Superintendent Powell machte die Männer miteinander bekannt.
»Doktor Day, das ist Oberinspektor Sinclair, von dem ich Ihnen berichtet hatte.«
Doktor Day blickte John prüfend an und nickte. Dann sagte er: »Hoffentlich sind Sie wirklich so gut, wie Ihr Chef es mir gesagt hat.«
»Ich weiß leider nicht, worum es geht«, erwiderte John und warf Powell einen verstohlenen Blick zu. Doch der Superintendent hob nur die Schultern.
»Es geht um meine Tochter, Oberinspektor«, sagte Doktor Day. »Sie ist ermordet worden. Man hat sie bestialisch umgebracht. Verbrannt in einer
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