GK0148 - Der Voodoo-Mörder
nichts gemerkt.
Vor dem Flughafen winkte er sich eines der berühmten Londoner hochrädrigen Taxis und nannte sein Fahrtziel, die William Road, eine ruhige Straße am östlichen Rand des Hyde Park.
Aufseufzend ließ sich Victor Jory in die Polster sinken.
Während das Taxi anfuhr, schloß er die Augen und war kurze Zeit später regelrecht eingeschlafen.
Jory brauchte Kraft für das, was vor ihm lag. Er war seinem Endziel bereits sehr nahe. Alle Vorbereitungen waren getroffen worden, jetzt mußte sich der Lohn seiner Arbeit zeigen.
Jory hatte nicht umsonst zehn Jahre seines Lebens auf Haiti verbracht und dort den Voodoo-Kult genauestens studiert. Er hatte gesehen, wie Medizinmänner Tote wieder zum Leben erweckten. Es war ein phantastisches, grausiges Schauspiel gewesen. Und es hatte Victor Jory ungeheuer beeindruckt. Er hatte es geschafft, das Vertrauen der Medizinmänner zu erringen, hatte die magischen Formeln und Riten studiert – und dann, als er den Medizinmann nicht mehr brauchte, ihn eiskalt umgebracht.
Jory war wieder nach England zurückgekehrt und arbeitete als Bibliothekar an der Universität. Man hatte ihn nie für voll genommen. Er hatte nur immer die Dreckarbeit erledigen müssen, und das fraß in ihm. Verlacht hatten ihn die Leute, vor allem die Studentinnen. Jory hatte sich nie gewehrt, doch tief in seinem Innern war ein teuflischer Plan entstanden, der jetzt kurz vor der Verwirklichung stand.
Sie hatten gebüßt – alle!
Jory schreckte hoch, als er die Stimme des Taxifahrers hörte.
»Wir sind am Ziel, Sir.«
»Natürlich, entschuldigen Sie. Ich bin wohl eingeschlafen.«
»Das kann man sagen.« Der Fahrer lachte. »Sie haben eine anstrengende Reise hinter sich?«
»Sehr, mein Lieber.«
Victor Jory zahlte und stieg aus. Sein Haus lag eingeklemmt zwischen den anderen Bauten. Diese Gegend war eine reine Wohnsiedlung, nicht sehr anspruchsvoll, aber auch nicht gerade zur unteren Klasse gehörend. Mittelmaß.
Jory schloß die Haustür auf. Er bewohnte in der ersten Etage ein Fünf-Zimmer-Apartment. Der Hausbesitzer hatte vor Jahren aus zwei Wohnungen eine gemacht, und Jory hatte augenblicklich zugegriffen.
Niemand begegnete ihm im Treppenhaus. Seine Ankunft wurde gar nicht bemerkt.
Jory schloß die Korridortür auf. Muffige Luft schlug ihm entgegen. Victor Jory verzog das Gesicht und öffnete erst mal einige Fenster. Dann betrat er sein Arbeitszimmer, das durch ein Spezialschloß und mehrere Riegel besonders gesichert war.
Jory knipste Licht an. Dunkle Vorhänge bedeckten die Fenster.
Es war ein Raum, der Beklemmung ausstrahlte. In der Mitte lag ein seltsamer Teppich, in den allerlei fremdartige Symbole gestickt waren. Fabelwesen und Horrorgestalten aus einer Mythologie, die in den Geschichten und Sagen der Eingeborenen von Haiti heute noch stark vertreten sind. Die Wände waren ebenfalls mit dunklem Tuch bespannt, das seidig glänzte und vom Luftzug, der durch die offenstehende Tür zog, bewegt wurde.
Victor Jory löste die Kette von seinem Handgelenk und stellte den Koffer auf einen kleinen Tisch an der Längswand des Zimmers. Dann schlüpfte Jory aus seinem Mantel, hängte ihn an die Garderobe und kehrte in den Raum zurück.
Er schloß die Tür und trat an einen großen, dunklen Palisanderschrank, der bis zur Decke reichte.
Den Schrank hatte er auf einer Versteigerung erworben. Es war ein prächtiges Stück, handgearbeitet und massiv.
Jory schloß die beiden Doppeltüren auf.
Rötliches Licht geisterte im Innern des Schrankes auf, als er die Türen aufzog.
Über das Gesicht des Mannes glitt ein böses Lächeln, als seine Augen die Figuren betrachteten, die, sorgfältig aneinander gereiht, in einem Regal standen.
Es waren Puppen.
Voodoo-Puppen!
Ihre Gesichter glichen denen der ermordeten Mädchen. Sie waren verzerrt, als hätten sie eine ungeheure Qual und Pein erlebt. Aber das war nicht das Schlimmste. In jeder Puppe steckte eine dünne, jedoch stabile Nadel. Sie war mit der Spitze tief in die Brust der Puppe gedrungen, genau dort, wo bei einem Menschen das Herz sitzt…
Neun Puppen waren es.
Neun Tote…
Und heute noch sollte die zehnte hinzukommen.
Jorys Augen funkelten, als er sich abwandte und seinen Koffer aufschloß.
Die Puppe lag auf dem Rücken. Noch war ihr Gesicht friedlich, zeigte den Ausdruck, den Jory bei der bewußtlosen Marion Baumann gesehen hatte.
Doch das sollte sich ändern.
Vorsichtig nahm Jory die Puppe in die Hand, trat auf den Teppich und ließ
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