GK0153 - Die Rache der roten Hexe
nach dem zweiten Schritt hatte die Hexe die Alte gepackt, schleuderte sie an der Schulter herum und stieß ihr die gespreizte Hand ins Gesicht.
Die Alte fiel zu Boden. Die Fingernägel hatten ihre Haut aufgerissen. Maddalena wimmerte vor Schmerzen.
Lucille Latour kannte kein Pardon. Brutal drehte sie die Alte auf den Rücken. Das Fläschchen hielt Maddalena noch immer in der Hand. Ein Großteil der Flüssigkeit war ausgelaufen. Aber der Rest würde auch noch reichen.
Lucille Latour bog den rechten Arm der Dienerin zurück und brachte die Hand mit der Flasche an deren Mund.
»Trink!« zischte sie. Nur eine Handbreit von Maddalenas Gesicht entfernt befanden sich die Augen der Hexe. Riesengroß kamen sie ihr vor, wie unergründliche, gefährliche Schächte.
Die Dienerin spürte nicht, wie ihre Kiefer auseinandergebogen wurden, wie die Hexe ihr den kurzen Flaschenhals in den Mund preßte. Maddalena schluckte automatisch.
Wie Öl rann die Flüssigkeit durch ihre Kehle. Ihr Körper schien zu wachsen, eine heiße Flamme tobte von innen heraus, das Herz raste, der Puls hämmerte.
Und dann war alles vorbei. Schlaff fiel Maddalena zurück und blieb mit verrenkten Gliedern auf dem dicken Teppich liegen.
Lucille Latour erhob sich. Triumphierend blickte sie auf die leblose Maddalena. »Auf Wiedersehen im Jenseits«, sagte sie mit zischender Stimme. »Wir beide werden in den nächsten Jahrhunderten noch viel zu tun bekommen.«
Harte Schläge an der Tür rissen die Hexe herum.
»Öffne, Lucille Latour!« brüllte eine Männerstimme. Sie gehörte Rory Danton, einem Hexenjäger aus England. Er war der einzige, der für das Töten bezahlt wurde.
Mit einem grausamen Lächeln auf den Lippen schritt Lucille Latour zur Tür. Beide Hände benutzte sie, um den schweren Riegel zurückzuschieben.
Dann zog sie die Tür auf. Der Mob hatte einen Halbkreis gebildet. Pechfackeln leuchteten, übergossen das Gesicht der Hexe mit blutrotem Schein.
Lucille Latour kniff die Augen zusammen. Sie konnte die Gesichter der Männer kaum erkennen, sah sie nur als helle verwaschene Flecke.
Es war windig. Der Wind kam vom Meer, peitschte die See und jagte die Wolken am Himmel. Das Nachtgewand flatterte um Lucille Latours Körper wie eine Fahne am Mast.
Der Mob hatte sich beruhigt. Vorn standen die Männer. Fünf waren es, die Fackeln in den erhobenen Händen. Die Frauen hielten sich zurück, obwohl sie die treibenden Kräfte gewesen waren. »Was wollt ihr?« fragte die Hexe. Sie bekam keine Antwort. Nur der Wind jaulte, fing sich in den Klippen. Einige Häscher senkten betreten die Köpfe, als hätten sie Angst vor ihrer eigenen Courage bekommen.
»Bekomme ich keine Antwort?« Da trat Rory Danton, der Hexenjäger, vor. Er war ein kräftiger untersetzter Mann, mit wild wachsendem Bart. Er hielt in der rechten Hand eine Fackel. »Du weißt genau, weshalb wir gekommen sind, Lucille Latour«, sagte er mit dröhnender Stimme. »Du hast mit dem Teufel gebuhlt, und das werden wir dir jetzt heimzahlen.«
Die Männer brüllten auf. Dazwischen erklangen die kreischenden Stimmen der Frauen.
Der Hexenjäger lächelte. Für einen Moment hatte er schon geglaubt, seine Helfer würden einen Rückzieher machen.
»Bekennst du dich schuldig?« schrie er gegen den Lärm an.
Da streckte die Hexe den Arm aus und ballte die Hand zur Faust. »Ja!« kreischte sie. »Ich bin eine Hexe. Ich habe mit dem Teufel gebuhlt, wie du es schon sagtest. Ihr könnt mich zwar töten, aber mein Geist wird eure Nachkommen mit der Härte der Hölle treffen. Der Satan steht auf meiner Seite!«
Nichts hielt die Männer auf ihren Plätzen. Zu fünft sprangen sie vor, packten die Hexe und rissen sie zu Boden.
Lucille Latour leistete keinen Widerstand. Im Gegenteil, sie lachte die Männer aus.
Dicht vor ihren Augen loderte die Flammen. Fünf Pechfackeln waren es, fünf schwielige Fäuste umklammerten die Stiele.
Noch einmal schrie die Hexe ihre Rache hinaus. Sie verfluchte die fünf Männer und deren Nachkommen bis in alle Ewigkeiten. Dann zerrte man sie zu den Klippen.
Es war nur ein kurzer Weg. Die Wolkendecke am Himmel riß für einen Moment auf, und ein voller Mond sandte sein fahles Licht auf die makabre Szene.
Tief unten rauschte das Meer gegen den Fels, schleuderte die Brandung haushoch. Wassertropfen glitzerten wie wertvolle Perlen im Mondlicht.
Rory Danton machte den Anfang. Seine linke Hand schloß sich um das volle rote Haar der Hexe. Dann nahm er die Fackel, hielt sie
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