GK0215 - Die Rache des Kreuzritters
umsummten sie, Paulette verscheuchte sie mit einer heftigen Handbewegung.
Dann stand sie vor der Tür.
Nur ein schmaler Lichtstreifen fiel in den Stall, der vom Dämmerlicht erfüllt wurde.
Paulette versuchte die Tür etwas aufzuziehen. Sie klemmte, hing mit ihrer Unterseite am Boden fest.
Paulette Plura trat noch einen Schritt vor und peilte in das Innere des Stalles. Sie wußte selbst nicht, was sie dazu trieb, einfach hier herumzuschnüffeln. Es war sonst nicht ihre Art, aber jetzt…
Paulette schob sich durch den schmalen Eingang.
Ihre Augen stellten sich auf die herrschenden Lichtverhältnisse ein, machten Umrisse aus, erkannten Gegenstände.
Plötzlich hatte Paulette Plura das Gefühl, einen Stromstoß zu bekommen, der sie von Kopf bis zum Fuß lähmte.
Was sie sah, was sich ihren Augen bot, war entsetzlich, grauenhaft, unfaßbar.
Auf dem Boden des Stalles lag eine Frau.
Sie war tot.
Jemand hatte ihr mit einem Schwertstreich das Leben genommen!
***
Urplötzlich kam der Schock!
Paulette Plura öffnete den Mund und stieß einen gellenden Schrei aus. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, die Fingernägel drangen in das Fleisch.
Paulette schrie und schrie…
Michael Kramer kam soeben von der Toilette, als er den Schrei vernahm.
Paulette! Das konnte nur Paulette sein.
Mit Riesenschritten hetzte der junge Mann durch den Gastraum, riß die Tür auf und stürmte nach draußen. Dort stoppte er. Hastig sah er sich um.
Der Schrei war verstummt. Michael konnte nicht genau sagen, aus welcher Richtung er gekommen war. Wenn ihn seine Ahnung jedoch nicht täuschte, dann war er hinter dem Haus aufgeklun gen. Hier auf dem Platz konnte er von Paulette wenigstens keine Spur ent decken.
Da kam Paulette schon angerannt. Sie lief durch den Garten, das Kopftuch löste sich und flatterte zu Boden. Paulettes Gesicht war eine Grimasse aus Entsetzen und Angst. Schreiend und weinend warf sie sich Michael entgegen.
Der Student fing seine Freundin auf.
Paulette barg schluchzend den Kopf an seiner Schulter. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf, während Michael ihr beruhigend den Rücken streichelte.
»Ist ja alles gut«, murmelte Michael. »Komm, du brauchst keine Angst zu haben. Was ist überhaupt geschehen? Warum weinst du? Was ist los?«
»Die… die Tote«, flüsterte Paulette unter Tränen. »Im Schuppen. Ich… ich habe sie gesehen. Es war so schrecklich, Micha!«
Abermals wurde Paulette von einem Weinkrampf geschüttelt.
Michael Kramer drückte seine Freundin an sich. »So«, sagte er, »jetzt putze dir erst einmal die Nase.« Dabei holte er ein Taschentuch hervor. »Und dann werden wir gemeinsam zu diesem komischen Schuppen gehen, wo du angeblich die Leiche gesehen hast.«
Paulette schüttelte den Kopf. »Da gehe ich nicht hin!« Sie nahm das Taschentuch, schnauzte sich die Nase und tupfte auch die Tränen aus den Augenwinkeln.
Michael legte sanft seinen Arm um Paulettes Schultern und zog das Mädchen mit. Paulette ließ es willenlos geschehen. Sie hielt den Kopf gesenkt, und noch immer liefen glitzernde Tränen aus ihren Augen.
Michael empfand die Worte seiner Freundin als baren Unsinn. Sicher, vielleicht hatte sie irgend etwas gesehen – aber eine Tote? Unmöglich. Nicht hier, nicht in diesem kleinen idyllischen Ort mitten im Elsaß.
Nein, die überreizten Nerven mußten dem Mädchen einen Streich gespielt haben! Eine andere Erklärung gab es für Michael Kramer einfach nicht.
Sie gingen um das Haus herum und betraten den Garten. Paulette Plura zögerte, sie wollte auf einmal nicht mehr weitergehen.
»Ich bleibe hier«, sagte sie.
Michael Kramer blieb ebenfalls stehen. »Komm, und stell dich nicht so an!«
Starrsinnig schüttelte Paulette den Kopf. Sie preßte dabei die Lippen zusammen, und in ihren Augen nistete die Angst.
Michael Kramer war nicht blind. Er bemerkte den Zustand seiner Freundin und gab nach.
»Okay, dann gehe ich allein.« Er zeigte auf die baufällige Hütte. »Das war doch der Schuppen – oder?«
Paulette nickte.
Michael Kramer ging los. Er machte ziemlich große Schritte, aber je näher er der Hütte kam, um so langsamer ging er. Er hatte plötzlich den Verdacht, daß seine Freundin doch nicht gesponnen und daß sie tatsächlich eine Leiche gesehen hatte.
Quatsch! sagte sich Michael Kramer und ging weiter.
Dann stand er vor der Tür.
Paulette Plura hatte sie – als sie nach draußen gerannt war – in ihrer Panik ganz aufgestoßen. Ungehindert konnte Michael Kramer in
Weitere Kostenlose Bücher