GK0215 - Die Rache des Kreuzritters
war zwar nicht spurlos vorübergegangen, doch sie hatte den kleinen Ort auch nicht verschlungen. Fünfzehn Kilometer waren es bis zur deutschen Grenze, etwa noch mal so viel bis nach Straßburg, der historischen Stadt am Rhein.
Michael Kramer hatte sein Glas geleert. »Ich werde noch einen Pokal trinken«, sagte er. »Dieser Gewürztraminer ist wirklich eine Köstlichkeit.«
Paulette Plura gab keine Antwort. In ihrer Handtasche wühlte sie nach Zigaretten. Sie rauchte manchmal vierzig Glimmstengel am Tag und war dabei, sich auf diese Weise systematisch kaputt zu machen.
»Ich denke, du willst auf die Sargnägel verzichten«, sagte Michael Kramer.
Paulette hob den Blick. »Unsinn. Ich will nur reduzieren.« Sie hatte endlich das Päckchen gefunden. »Auch eine?«
»Nein, nein.« Michael wehrte ab. Er bestellte sich statt dessen noch einen Pokal Wein.
Der Wirt brachte das Getränk, und als Michael den Wein über alle Maßen lobte, da flog ein Strahlen über das Gesicht des Mannes. »Eigener Anbau«, erklärte er. »Ja, die gute Lage und die Sonne, sie machen sich schon bezahlt. Er ist auch nicht gepantscht. Alles Natur.«
»Dann auf die Natur«, sagte Michael und trank.
Der junge Mann war richtig gelöst. Er hatte den Streß hinter sich geworfen. Auch sein Studium ging in die letzte entscheidende Phase, aber verrückt machte sich Michael deswegen nicht.
Michael Kramer war ein Jeans-Typ. Auch an diesem Tag trug er eine weiße Jeans, die hauteng saß. Das Hemd hatte er bis zur Brust aufgeknöpft, die schlanken Finger spielten mit dem Weinpokal. Michael Kramer hatte ein schmales Gesicht. Die dunkelblonden Haare bedeckten die Ohren, und die Nase stach aus dem Gesicht hervor wie ein Adlerschnabel.
Michael freute sich auf den Urlaub. Es war eigentlich der erste, den er mit Paulette verbrachte. Aber er war skeptisch, ob die Frau durchhielt. Paulette war verwöhnt. Sie hatte zwar alles unheimlich irre gefunden, doch diesen Kommentar gab sie oft im ersten Begeisterungssturm.
Die Zeit verrann.
Es wurde sechzehn Uhr, und die beiden anderen waren immer noch nicht da.
Paulette Plura und Michael Kramer waren auf die Freunde angewiesen. Denn sie hatten keinen Wagen. Michaels VW lief nicht mehr. Er hatte einen Tag vor dem Urlaub seinen Geist aufgegeben. Darüber war Paulette auch sauer. Es war ihr jedoch nichts anderes übriggeblieben, als sich in die Bahn und den Bus zu setzen, und sich so zum Treffpunkt fahren zu lassen.
Paulette wurde immer ungeduldiger, während Michael auf ihre Fragen und Bemerkungen nur mit einem Achselzucken reagierte.
Der Wirt war verschwunden. Er rumorte irgendwo in der Küche herum. Hin und wieder hörte man ihn mit einer Frau sprechen.
Es kamen keine weiteren Gäste. Michael fragte sich, wie der Wirt hier klarkam, wenn er alle Jubeljahre mal etwas verkaufen konnte.
Paillette Plura rauchte Kette.
Schließlich hielt sie es nicht mehr aus. »Also, wenn die beiden nicht bald kommen, dann können sie mir gestohlen bleiben. Dann fahre ich wieder zurück. Ich gebe ihnen noch eine halbe Stunde.«
»Vielleicht ist etwas dazwischengekommen«, vermutete Michael.
»Sie hätten anrufen können.« Paulette ging zur Tür, zog sie auf und schaute nach draußen.
Michael blieb sitzen. Er hatte einfach keine Lust, aufzustehen.
Paulette Plura betrat den kleinen Vorplatz. Rauchend ging sie auf und ab. Neben einer der Bänke blieb sie stehen und strich spielerisch mit dem Finger über das Holz.
Sie langweilte sich bereits jetzt. Desinteressiert schaute sie einigen Hühnern zu, die auf dem Boden nach Nahrung suchten.
Paulette ging weiter. Im Dunst der Hitze sah sie die fernen Berge der Vogesen verschwimmen. Die Burg war nicht zu sehen.
Paulette umrundete das Haus und gelangte in einen kleinen Garten. Ein schmaler Weg durchschnitt ihn. Der Wirt hatte Obst und Gemüse angebaut. Kirschen und Erdbeeren waren schon geerntet. Das Gasthaus war so ziemlich das letzte im Dorf. Hinter dem Haus begannen die sanft ansteigenden Hügel der Weinberge.
Der schmale Weg machte einen Knick und endete auf einer Wiese. Das Gras stand ziemlich hoch. Es hätte mal geschnitten werden müssen.
Paulette fiel der alte, baufällig wirkende Stall ins Auge, dessen Tür halb offen stand und schief in den Angeln hing.
Sie ging auf den Stall zu.
Plötzlich hatte sie ein beklemmendes Gefühl. Es war irgendeine Ahnung, die sie überfiel. Fast körperlich spürte sie das Unbehagen.
Paulette Plura näherte sich dem Stall. Einige Fliegen
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