GK083 - Der Henker aus dem Totenreich
Gesellschaft. Es gab Intellektuelle, Reeder, einen Stierkampfmanager aus Frèjus, Südfrankreich, einen deutschen Galeriebesitzer, der seit einigen Jahren in Barcelona ansässig war und vor eineinhalb Jahren eine rassige Schwedin geheiratet hatte, mit der er auf jeder Party großes Aufsehen erregte.
Kirsten Wolf, so hieß die junge Schwedin, war natürlich blond. Sie trug das Haar schulterlang und hatte in punkto Kleidung einen unnachahmlichen Schick. Die Kleider, die sie trug, sprengten jeglichen Rahmen. Ihr makelloser Körper kam dadurch noch mehr zur Geltung.
Sie hatte meergrüne, schräg gestellte Augen und hohe Backenknochen. Ihr sinnlicher Mund schien verraten zu wollen, dass sie es mit der ehelichen Treue nicht besonders genau nahm. Natürlich lockte das die Männer an. Auch Angel Carrona, der Gastgeber, bemühte sich um die Schwedin, die an eine Flamme erinnerte, die gleich unter einer dünnen Eisschicht lodert.
Was die anderen nicht wussten, war der Umstand, dass Carrona es bei Kirsten schon fast geschafft hatte. Herrmann Wolf, der Mann der Schwedin, stand mit einem Drink in der Hand neben Esmeralda Carrona, der Gattin des Industriellen.
Er merkte nicht, dass sich Angel Carrona bereits in eines der sechsunddreißig Zimmer zurückgezogen hatte. Er wusste nicht, dass zwischen Carrona und Kirsten Wolf bereits alles abgesprochen war und sie sich in aller Heimlichkeit treffen wollten.
Wolf unterhielt sich mit Pierre Mathieu, dem französischen Stierkampfmanager. Lorenzo Caldes, ein Mann, von dem man eigentlich nicht genau wusste, welchen Job er hatte, gab weise Sprüche von sich, die Esmeralda Carrona manchmal zum Lachen reizten.
»Wir in Frèjus müssen große Anstrengungen unternehmen, dass wir die Arena voll kriegen«, sagte Pierre Mathieu mit gekräuselter Stirn. »Deshalb reise ich mehrmals im Jahr nach Madrid und Barcelona, um mir die Mitarbeit zugkräftiger Matadore zu sichern, verstehen Sie, Señor Wolf?«
»Natürlich«, nickte Herrmann Wolf. Er wandte den Kopf und suchte Kirsten. Er sah viele Gesichter, aber nicht das seiner Frau. Aber das beunruhigte ihn nicht. »Ein guter Name auf einem Plakat ist der beste Magnet für die Kasse!«, meinte er. »Ist in meinem Fall doch dasselbe. Ich stelle international anerkannte Maler aus. Leiste ich mir aber einmal ein Experiment und nehme einen unbekannten Mann in meine Galerie, herrscht in den Schauräumen eine gähnende Leere.«
»Warum reden Sie eigentlich immer nur vom Geschäft?«, fragte Lorenzo Caldes mit gerümpfter Nase. »Das lässt doch keine Stimmung aufkommen. Was meinen Sie dazu, Señora Carrona?«
Die Hausherrin nickte lächelnd.
»Sie sollten mehr unserem köstlichen Champagner zusprechen, meine Herren. Das würde Sie schnell auf andere Gedanken bringen.«
Esmeralda Carrona war vom Scheitel bis zur goldbeschuhten Sohle eine prachtvolle Frau. Sie war reif, aber noch nicht überreif. Sie verfügte über die den Spanierinnen eigene Grandezza, die sie unnahbar erscheinen ließ. Ihr schwarzes Haar war zu einem kunstvollen Knoten verschlungen. Ihre rehbraunen Augen drückten Willenskraft und Intelligenz aus.
Wolf nahm gern den nächsten Champagner.
»Auf einen geschäftlichen Erfolg!«, sagte er zu Pierre Mathieu.
Der Franzose nickte dankend.
»Ja, Erfolg ist das, was man im Leben am dringendsten braucht. Erfolg im Geschäft. Erfolg bei Frauen. Apropos Frauen. Wo ist denn Ihre reizende schwedische Gemahlin?«
Wolf schürzte die Lippen.
»Keine Ahnung. Sicherlich ist sie von einer Menge Junggesellen umringt… Irgendwo.« Er lachte unbekümmert. »Sie kommt aber immer wieder wohlbehalten zu mir zurück.«
Esmeralda Carronas Lächeln wirkte mit einem Mal ein wenig gekünstelt. Außer ihr war niemandem aufgefallen, was Angel und Kirsten in aller Heimlichkeit abgemacht hatten. Sie hatte sie verschwinden gesehen. Zuerst Angel. Dann, nach einer geraumen Zeit, Kirsten. Die junge, attraktive Schwedin hatte sich vorsichtig umgesehen, ehe sie durch die Tür hinausgeschlüpft war.
Esmeralda wusste, was nun irgendwo im Haus passieren sollte.
Sie kannte ihren Mann. Er wollte der Schwedin gewiss nicht mit seiner Briefmarkensammlung imponieren.
Er war auf andere Dinge stolz. Dieses Wissen schmerzte Esmeralda, doch sie behielt es für sich. Sie wollte den anderen, vor allem Herrmann Wolf, die gute Laune nicht verderben.
***
Angel Carrona erwartete die Schwedin voll Ungeduld. Der Raum, in dem er sich befand, war mit Sitzmöbeln eingerichtet. Aber
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