GK102 - Die Rückkehr des Samurai
dem Sonnenschirm.
Tiffany saß bei ihm und hielt seine Hand. Sie waren ein nettes Paar.
Aber Mr. Silver rümpfte die Nase, was mir in höchstem Maße unverständlich war.
»Hör mal, was hast du gegen die beiden?«, fragte ich, als wir allein waren.
»Ich weiß nicht, Tony…«
»Magst du das Mädchen nicht oder den Jungen? Oder alle beide?«
»Der Junge gefällt mir nicht, Tony.«
»Was soll das heißen?«
»Er gefällt mir nicht!«, sagte Mr. Silver mit hochgezogenen Achseln noch einmal.
»Kein Mensch verlangt von dir, dass du ihn heiratest«, gab ich zurück. »Also braucht er dir auch nicht zu gefallen.«
»Etwas anderes macht mir Sorgen, Tony.«
»Was denn? Was?«
»Er hat sich zu schnell erholt.«
»Und was schließt der überschlaue Mr. Silver daraus?«
»Dass irgendetwas nicht mit ihm stimmt.«
Ich grinste breit.
»Ist er etwa ein Dämon?«
»Er hat sich zu schnell von dieser schweren Verletzung erholt.«
»Leg 'ne andere Platte auf, Silver!«
»Da stimmt was nicht, sage ich dir, Tony.«
»Okay. Und morgen wirst du mir auf den Kopf zusagen, dass ich ein Hexer bin.«
»Mach dich nicht über mich lustig, Tony!«
»Hör mal, der Junge ist so sauber wie ich, Dass er sich so erstaunlich schnell erholt hat, ist auf seine robuste Konstitution zurückzuführen. Das ist das ganze Geheimnis. So. Und nun lächle, wenn du ihm begegnest. Ich mag nicht, dass er deines Gesichtes wegen unser Haus verlässt.«
***
Schon in der nächsten Nacht aber sollte etwas geschehen, was Mr. Silver in erschreckendem Maße Recht gab.
Wir waren alle früh zu Bett gegangen.
John Cromwell konnte nicht einschlafen. Unruhig lag er in seinem Bett.
Ein seltsames Funkeln lag in seinen Augen. Er öffnete den Mund.
Ein leises, bösartiges Knurren kam aus seiner Kehle.
Er starrte auf seine Hände.
Sie begannen sich schnell zu verformen und wurden zu mächtigen Raubtiertatzen.
Es knackte und knirschte hässlich, als sich seine Knochen verschoben und versetzten.
Mit einem Ruck federte Cromwell aus seinem Bett.
Sein Kopf wurde größer, nahm eine runde Form an und sein Mund wurde zu einer gefährlichen Tigerschnauze. Die Augen funkelten wie gelbe Lichter.
Ein mordlüsternes Fauchen kam nun aus dem Maul der Bestie.
John Cromwell war zum Wertiger geworden.
Und er befand sich in Ballards Haus.
Yew Ratnam hatte ihn mit seinen scharfen Krallen infiziert. Der von Mr. Silver getötete Dämon hatte das Böse auf John Cromwell übertragen. Und Cromwell handelte nun in Ratnams Sinn.
Der Malaie hatte Tiffany Segal zerfleischen wollen.
Dies wollte nun auch Cromwell tun.
Mit schnellen, federnden Schritten lief er zur Tür.
Er öffnete sie.
Stille herrschte im ganzen Haus.
Der Wertiger konnte sein hungriges Knurren nur mühsam zurückhalten.
Mit gefletschten Zähnen trat die Bestie aus dem Raum.
Tiffany schlief nebenan.
Das Scheusal schaute sich kurz um. Dann huschte es zur nächsten Tür.
Behutsam legte der Tiger seine mächtige Tatze auf die Klinke. Ganz langsam drückte er das Metall nach unten.
Dann stieß er die Tür auf.
Im Raum hing das Parfüm des Mädchens. Nun vermengte sich der Gestank des Raubtiers mit diesem Duft.
Tiffany lag im Bett. Ihr Atem ging regelmäßig.
Der Wertiger schloss die Tür schnell hinter sich. Dann näherte er sich vorsichtig dem Bett.
Bald hatte er das Fußende erreicht.
Sein Brustkorb hob und senkte sich schnell. Sein dichtes Fell war von der Erregung gesträubt. Mit lodernden Augen schaute er auf sein schlafendes Opfer hinunter.
Tiffany war ihm gewiss.
Er genoss jede Sekunde ihrer ohnmächtigen Ahnungslosigkeit.
Er hob die Pranken.
In derselben Sekunde schossen die rasierklingenscharfen Krallen hervor.
Ein einziger Hieb hätte genügt, um die Schlafende zu töten…
***
Mr. Silver schlief nicht. Er wälzte sich genauso ruhelos im Bett hin und her, wie John Cromwell es getan hatte. Etwas störte ihn.
Er fühlte Unheil, vermochte das Gefühl aber nicht genau zu definieren.
Mehr und mehr wuchs seine Unruhe.
Schließlich hielt er es im Bett nicht mehr länger aus. Er stand auf und lief im Schlafzimmer nervös auf und ab.
Ohne dass er es wollte, beschäftigten sich seine Gedanken mit John Cromwell. Mit dessen jäher Genesung. Mit seiner Abneigung, die er im Unterbewusstsein gegen diesen Jungen empfand.
Was war das bloß?
Silver strich sich über das silberne Haar.
Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er nickte sich selbst eifrig zu und rannte aus dem Zimmer.
***
Ich
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