GK181 - Der Spinnenmann
leider verhindert.«
Selby hob eine Braue. »So?«
»Da war doch diese leidige Geschichte mit jenem Geisterhaus… Ich hab’ dir doch davon erzählt«, sagte ich, und ich ärgerte mich darüber, daß ausgerechnet ich die Abmachung verletzt hatte. Wir wollten doch nicht von Geistern sprechen. »Oliver Bienford«, sagte ich, als Selby immer noch nicht geschaltet hatte. »Seine Tochter hat ihn nach seinem Tod verbrennen lassen. Da er aber mit dem Teufel im Bund war, konnte er, wann immer er wollte, aus seiner Urne herauskommen, Leute in Angst und Schrecken versetzen und sogar töten. Wenn ich diesen magischen Spiegel nicht zur Verfügung gehabt hätte, Junge, dann wäre die Sache wahrscheinlich bitter für mich ausgegangen. Dann könnte ich jetzt nicht hier mit dir zusammensitzen und meine Beine auf den Tisch legen.«
Jetzt erinnerte sich Selby an die Geschichte. Er nickte.
Wir bemühten uns beide krampfhaft um einen unverfänglichen, weitgehend neutralen Gesprächsstoff. Eine Stunde später redeten wir aber dann doch von dem, an das wir beide die ganze Zeit über dachten. Ein Phänomen war in London in Erscheinung getreten: riesige, zwei bis zweieinhalb Meter hohe Spinnennetze, in denen sich Menschen verfangen hatten. Netze von einer unglaublichen Festigkeit. Die Leute, die dagegengelaufen waren, waren davon nicht mehr losgekommen.
»Ich sage dir, da geht es nicht mit rechten Dingen zu, Tony«, meinte mein Freund Lance.
Ich nickte. »Bin ganz deiner Meinung.«
»Eine Spinne von dieser Größe, ich meine — ein Insekt, das fähig wäre, ein solches Netz zu bauen, gibt es nicht.«
Ich schlürfte an meinem Pernod. »Was denkst du, was dahintersteckt, Lance?«
»Ohne Zweifel sind diese Netze ein Werk des Bösen«, sagte Professor Selby.
»Was weißt du über Spinnen?« fragte ich.
»Nicht besonders viel.«
»Sag mir das Wenige«, forderte ich den Parapsychologen auf.
»Webespinnen stellen ihre Netze aus Spinnfäden her, die in der Weise erzeugt werden, daß die Tiere ein von Spinndrüsen abgesondertes Spinnsekret durch feine, in größerer Zahl auf Spinnwarzen sitzende Spinnspulen ins Freie pressen, wo es erhärtet. Die Spinnwarzen sind hohle, mehrgliedrige Chitinröhren, die durch kompliziert angeordnete Muskeln in mannigfacher Weise bewegt werden können. Man hat festgestellt, daß der Sicherheitsfaden, an dem sich so eine Spinne herabläßt, und wieder ins Netz zurückhangelt, aus etwa 200 Einzelfäden zusammengesetzt ist…«
Ich schmunzelte. »Ist doch eine ganze Menge, was du über diese ekeligen Biester weißt, Lance.«
»Diese Fäden haben eine Stärke von 0,008 Millimeter«, fuhr Selby fort. »Ich spreche von den Fäden einer Spinne. Die Fäden jener geheimnisvollen Netze, die ja regelrechte Menschenfallen sind, sind — was man so hört — wesentlich dicker. Seit ich zum erstenmal davon gelesen habe, frage ich mich, wer in der Lage ist, solche Netze zu weben.«
Ich erinnerte mich an zwei Zeitungsmeldungen.
Zweimal waren bisher Menschen in diese rätselhaften Fallen hineingeraten. Waren darin hängen geblieben, hatten sich nicht mehr selbst zu befreien vermocht. In beiden Fällen waren sie bis auf den letzten Penny ausgeraubt worden.
Ein normales Verbrechen — wenn es dieses Spinnennetz nicht gegeben hätte.
Viele Stunden später erst waren die Opfer entdeckt worden. Die Leute waren völlig verstört und kaum ansprechbar gewesen. Lance Selby hatte unbedingt recht. Diese Netze waren das Werk des Bösen.
Ich schob mir ein Lakritzbonbon in den Mund und lehnte mich im Sessel zurück, schlug die Beine übereinander und sagte zu Lance: »Ich glaube, diese Sache ist wichtig genug, um von mir beachtet zu werden. Was meinst du?«
Selby nickte mit finsterer Miene. »Unbedingt, Tony.« Er schaute auf seine Hände. »Ich bin sicher, wir werden demnächst wieder von einem solchen Netz lesen.«
***
Die Angst schnürte Burt Madison die Kehle ab. Er hörte das Atmen dieser unheimlichen Person, die hinter ihm stand und die er nicht sehen konnte. Er konnte fast spüren, wenn sich der andere bewegte. Und es war ihm nicht möglich, den Kopf zu wenden. Er hatte sich ganz schrecklich in dieses sonderbare Netz verstrickt. Bis zur Erschöpfung hatte er darin gezappelt. Jetzt war er mit seinen Kräften am Ende. Seine Beine trugen ihn nicht mehr. Er hing erledigt im klebrigen Spinnennetz, das von einer unvorstellbaren Größe war.
Der kalte Schweiß der Todesangst brach dem Opfer aus den Poren, als der
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