GK181 - Der Spinnenmann
Er wußte, daß meine Versprechen so gut wie Verträge waren. Ich legte auf.
***
Für einen Freund! Das war ein alter Hut. Ich hätte gewettet, daß es diesen Freund nicht gab. Der Bursche hatte die Gemälde selbst aus Harry und Lorie Sulzmans Wohnung geholt. Für mich stand das hundertprozentig fest. Folglich hieß der Spinnenmann Clips Sardo. Ich befand mich bereits auf dem Weg zu ihm. Der kalte Wind pfiff mir um die Ohren, als ich aus meinem weißen Peugeot 504 TI stieg. Ich stellte den Kragen meiner Lammfelljacke auf. Meine Hände steckten in gefütterten Handschuhen. Das Schloß am Haustor war keine echte Prüfung für mich. Als ich noch Polizeiinspektor gewesen war, hatten wir gelernt, wie Einbrecher solche Schlösser knackten. Ich hatte es noch nicht vergessen. Daß meine Vorgangsweise ungesetzlich war, wußte ich. Mir war auch bewußt, daß ich riskierte, meine Detektivlizenz dadurch zu verlieren, aber im Moment war keine Zeit, um Gewissensbisse zu haben. Hier ging es darum, jenem gefährlichen Spinnenmann das Handwerk zu legen. Scotland Yard mußte mein Vorgehen ja nicht gutheißen. Der Yard würde es aber auf jeden Fall entschuldigen, wenn ich Erfolg hatte. Mit schnellen Schritten eilte ich die Stufen hoch. Ich war nicht ohne meinen Colt Diamondback gekommen, und ich hatte die Waffe, um optimal ausgerüstet zu sein, mit Silberkugeln geladen. Vielleicht ist es verrückt, zu sagen, daß ich mich auf Clips Sardo freute, aber ich freute mich wirklich auf den Moment, wo ich dem Spinnenmann gegenüberstand.
Im vierten Stock läutete ich Sturm.
Sardo war nicht zu Hause. Damit hatte ich nicht gerechnet. Er war wohl wieder unterwegs, um ein neues spektakuläres Verbrechen zu begehen. Was sollte ich nun machen? Ich hatte die Wahl, unten vor dem Haus auf ihn zu warten oder mich hier auf die Treppe zu setzen. Beides gefiel mir nicht, war nicht nach meinem Geschmack. Deshalb beschloß ich, die Gelegenheit so zu nützen, wie es mir am besten erschien: Ich wollte mich mal eingehend umsehen.
Aus diesem Grund gab es für mich kein Zaudern. Ich machte mir am Schloß zu schaffen. Sekunden später huschte ich in Sardos Wohnung. Ich machte in allen Räumen Licht, nachdem ich überall die Vorhänge zugezogen hatte, damit man das Licht auf der Straße nicht sehen konnte. Dann ging ich mit gelerntem System durch die Drei-Zimmer-Wohnung. Hinter einer Kommode fand ich die gestohlenen Gemälde — den van Gogh, den Cézanne und den Makart. Wenn es bis jetzt noch einen Zweifel gegeben hätte, daß Sardo der Spinnenmann war — nun wäre er in alle Himmelsrichtungen zerstäubt worden. Durch den Fund der Bilder ermutigt, schnüffelte ich mit großem Eifer weiter. Ich fand auf Sardos Nachttisch eine schwarze Bibel, wie sie die Teufelsanbeter benützen. In einem kleinen Schränkchen entdeckte ich viele Gegenstände, mit deren Hilfe man Geister beschwören kann. Und zum Schluß fand ich Clips Sardos Tagebuch.
Ich setzte mich und begann darin zu blättern.
Er hatte jahrelang das Leben der Spinnen studiert. Nebenher hatte er sich von einem alten Mann in der Kunst der Schwarzen Magie unterweisen lassen. Und dann, in der letzten Walpurgisnacht, war es ihm mit Hilfe der Schwarzen Magie gelungen, verschiedene Eigenschaften der Spinnen auf sich zu übertragen. Er war keine Spinne. Er war trotz allem ein Mensch geblieben. Aber er konnte Dinge tun, die sonst nur den Spinnen möglich waren.
Voll brennender Ungeduld saß ich in seiner Wohnung.
Ich konnte es kaum noch erwarten, ihm in die Augen zu sehen. Er war ein Dieb, ein Räuber und ein Mörder.
Schonung hatte er nicht von mir zu erwarten, das stand fest.
***
Blitzschnell fesselte Sardo das Mädchen. Er warf sein klebriges Netz über sie. Bonnie Black schrie kreischend auf. Ihr hübsches Gesicht war von Panik verzerrt. Sie ließ sich zurückfallen. Das Netz des Spinnenmanns legte sich über sie und drückte sie auf das Bett nieder.
Danach wandte sich Sardo gegen Gordon Cappolo. »Raus aus dem Bett!« fauchte der Spinnenmann mit schmalen Augen.
»Verdammt, das wird dich teuer zu stehen kommen!« knurrte der Gangboß wütend. Mit schmerzverzerrtem Gesicht massierte er die lädierte Hand.
»Raus! Schnell!« befahl Sardo.
Cappolo stand auf. Sardo wich vor ihm zurück. Er blieb auf Sicherheitsdistanz. Der Gangsterboß stand mit ausgebreiteten Armen vor ihm. »Und was weiter?«
»Geh vor mir aus dem Schlafzimmer!«
Bonnie schluchzte unter dem Netz. Sie konnte sich nicht bewegen.
Weitere Kostenlose Bücher