GK228 - Das Tribunal der Dämonen
diese gespenstischen Geräusche.
Etwas kratzte über die Tür.
Dunlop fuhr mit einem unterdrückten Schrei herum. Die Kehle war ihm mit einem Mal zugeschnürt. Er merkte die Gänsehaut, die ihn überlief, und er begann ärgerlich zu schimpfen, weil er sich doch tatsächlich von Ron Taxier und seinen Freunden an der Nase herumführen ließ. Er schüttelte mürrisch den Kopf, spannte entschlossen die Muskeln und wollte jetzt gleich mal beweisen, daß er keine Angst hatte. Mit festem Schritt durchquerte er den Raum. An der Tür zögerte er einen winzigen Moment. Dann aber öffnete er sie und trat mit energischer Miene in die Dunkelheit hinaus.
Der Wind pfiff über seinen Kopf, zerzauste sein Haar, blies ihm in die Jacke. Er fröstelte, zog den Hals ein und stellte den Kragen auf.
Der Herbstwind konnte jetzt schon ziemlich unangenehm und rauh sein. Durch die Finsternis flogen bizarr geformte Nebelschwaden heran, wie Geisterreiter, ohne jeden Laut. Die Hufe der Pferde berührten den Boden nicht. Querfeldein hetzte die gespenstische wilde Jagd, vom Friedhof kommend, das Streckenwärterhäuschen stürmend.
Ferdy Dunlop schob die Hände in die Hosentaschen.
Unschlüssig stand er da. Was sollte er jetzt tun? Es widerstrebte ihm, sich zu weit vom Dienstgebäude zu entfernen. Das war gegen die Vorschrift. Er mußte auf seinem Posten bleiben, bis er abgelöst wurde. Er mußte jederzeit erreichbar sein.
Trockene Erde knirschte. Zwei Steine klapperten aneinander. »Ron?« rief Dunlop gegen den Wind. »Mr. Taxier! Sind Sie das?« Keine Antwort. Dunlop nagte an seiner Unterlippe. »Da sieht man’s wieder mal: Je älter der Mensch wird, desto kindischer wird er!« rief er ärgerlich. Aber auch darauf reagierte niemand.
Der Wind bewegte die Büsche im Moment so heftig, daß Dunlop fast glaubte, sie wären lebendig geworden.
Schnelle Schritte. Und gleich wieder Stille.
Sie wollten ihn veranlassen, daß er auf sie hereinfiel, aber die Freude wollte er ihnen nicht machen. Trotzig wandte er sich um. Er war kein dummer Junge, mit dem sie sich solche Späße erlauben durften. Morgen würden sie sich über ihn lustig machen, wenn er auf ihr Spiel einging.
Nichts da! dachte Ferdy Dunlop mürrisch. Daraus wird nichts. Das könnt ihr mit mir nicht machen!
Er hatte die feste Absicht, ins Dienstgebäude zurückzukehren. Da vernahm er ein schauriges Stöhnen, das ihm den Atem nahm. Er schluckte heftig. Das Stöhnen verstummte sogleich wieder. Dunlop war herumgefahren. Jetzt war er entschlossen, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen, denn er wußte, daß er drinnen im Streckenwärterhäuschen keine Ruhe gefunden hätte.
Mit verkniffenen Zügen rannte er auf die Büsche zu, denn von da war das Stöhnen gekommen.
Er ballte die Fäuste. Bei Gott, wenn einer von Ron Taxiers Freunden sich diesen makabren Spaß gemacht hatte, würde er mit einer Tracht Prügel rechnen müssen.
Ferdy Dunlop erreichte die Büsche. Ein Zweig schlug ihm wie eine Peitsche quer übers Gesicht. Er fluchte. Mit wilden Schritten ging er um das Buschwerk herum. Abermals dieses schaurige Stöhnen.
Und dann machte Ferdy Dunlop eine Entdeckung, die ihm das Blut in den Adern gerinnen ließ…
***
Kein menschliches Auge hatte diesen Spuk jemals gesehen.
Er wirkte wie mit weißer Kreide in die Dunkelheit gezeichnet. Nur seine Konturen waren zu erkennen. Sie flimmerten geheimnisvoll, während die Augen so rot leuchteten wie glühende Kohlen. Ferdy Dunlop schauderte. Es gab sie also doch, die Gespenster, von denen man ihm erzählt hatte. Das Herz des jungen Streckenwärters hämmerte heftig in seiner Brust. Die Angst meldete sich. Er konnte nicht gegen sie ankämpfen, fürchtete sich halb zu Tode. Er preßte die Augen zusammen, schüttelte den Kopf, versuchte sich einzureden, daß ihm sein Geist einen widerlichen Streich spielte.
Doch die Erscheinung blieb Realität.
Als sie sich auf Dunlop zubewegte, wandte sich der junge Streckenwärter atemlos um und rannte keuchend davon. Er hörte hinter sich ein bösartiges Zischen, reagierte nicht darauf, trachtete nur, so schnell wie möglich ins Dienstgebäude zu kommen. Das war kein Trick von Ron Taxier und seinen Freunden. Kein Mensch kann eine solche Erscheinung erstehen lassen, das war Ferdy Dunlop klar. Er hatte es hier mit einem Spuk zu tun. Gefährlich oder nicht – wer konnte das schon sagen. Sicher war es in jedem Fall, schnellstens Fersengeld zu geben, ehe es zu einer kritischen Situation kommen konnte.
Vier
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