GK307 - Der Ghoul von Mallorca
sprang auf und lief mit langen Sätzen auf die Büsche zu. Er war unbewaffnet. Das machte ihm jedoch nichts aus.
Er verstand sich auf Judo und Karate, und er konnte mit seinen Fäusten verdammt hart zuschlagen, wenn es nötig war.
Lance Selby erreichte die Macchiagewächse. Er warf sich in die grüne Wand hinein, fegte die Zweige und Blätter auseinander, strauchelte, fing sich aber wieder, stürmte weiter.
Es war niemand zu sehen.
Lance Selby erreichte die ersten Pinien. Er tauchte in ihren Schatten ein. Und plötzlich passierte es…
Eine Gestalt flog auf ihn zu. Er wollte herumwirbeln, doch die Zeit reichte nicht mehr. Ein harter Gegenstand traf seinen Kopf.
Ihm war, als ginge ein Sternensprühregen vor seinen Augen nieder. Verbissen kämpfte er gegen die Ohnmacht an, doch sie überwältigte ihn.
Er stürzte zu Boden, aber das bekam er bereits nicht mehr mit.
***
Als Lance Selby wieder die Augen aufschlug, bemühte sich ein Mann um ihn, der fast von allen nur »der Tanzmeister« genannt wurde.
Ein kräftiger schwarzhaariger Mann, dessen Name Abel Sabbath war. Er zog von Hotel zu Hotel und brachte den Urlaubern im Schnellverfahren die neuesten Modetänze bei.
Seine Kurse waren gut besucht. Er schien nicht schlecht dabei zu verdienen. Sabbath war Engländer. Er lebte aber schon seit sieben Jahren auf Mallorca, und er hatte nicht mehr die Absicht, nach Birmingham - das war seine Heimatstadt - zurückzukehren.
Lance brummte der Schädel, und er hatte einen pelzigen Geschmack auf der Zunge.
»Wie fühlen Sie sich?« fragte Abel Sabbath.
Lance setzte sich vorsichtig auf. Er befand sich noch da, wo ihn der Unbekannte niedergeschlagen hatte.
»Ich glaube, es geht schon wieder«, sagte der Parapsychologe.
»Kommen Sie, ich helfe Ihnen beim Aufstehen«, sagte Abel Sabbath. Er bot Lance Selby seinen Arm. »Ich kam zufällig den Strand entlang…«, begann der Tanzmeister.
Lance Selby fiel ihm jedoch ins Wort. »Was ist mit Marion Handschmann?«
Abel Sabbath nickte. »Sie ist vor einer Minute zu sich gekommen.«
Lance und der Tanzmeister kehrten zum Strand zurück. Marion Handschmann saß im Sand. Ihr Mann kniete vor ihr und streichelte besorgt ihr Gesicht.
Als Harald Handschmann den Parapsychologen erblickte, rief er: »Ich machte mir große Sorgen um Sie, Mr. Selby.«
Lance verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Unkraut vergeht nicht.«
»Was war los…?«
»Jemand hat mich niedergeschlagen.«
»Ein Glück, daß Mr. Sabbath des Weges kam. Ich bat ihn, er möge nach Ihnen sehen«, sagte Handschmann. »Haben Sie gesehen, wer Sie niedergeschlagen hat?«
»Leider nein«, knirschte Lance. »Wie geht es Ihrer Frau?«
»Sie sehen es ja. Sie sitzt nur da und schaut in die Leere. Sie kann sich an nichts erinnern. Marion. Bitte, Liebling, sage uns, was dich so sehr erschreckt hat. Was war es? Was hast du gesehen?«
Mit leerem Blick schaute die Frau ihren Mann an. »Ich weiß es nicht, Harald«, sagte sie auf deutsch. »Ich habe keine Ahnung, weshalb ich ohnmächtig wurde.«
»Du mußt etwas Schreckliches gesehen haben.«
»Ich kann mich nicht mehr daran erinnern…«
Harald Handschmann erhob sich und half seiner Frau beim Aufstehen. Lance Selby riet dem Deutschen, vorläufig nicht weiter in Marion zu dringen.
Er meinte: »Vielleicht kommt sie in ein paar Stunden oder Tagen von selbst darauf, was sie so sehr erschreckt hat. Wenn wir Menschen etwas Furchtbares erleben, verdrängen wir es oft in unser Unterbewußtsein. Das ist eine Art Sicherung, damit wir vor Angst nicht den Verstand verlieren. Manchmal bleibt ein schreckliches Erlebnis für immer im Unterbewußtsein, manchmal kommt es irgendwann wieder zum Vorschein…«
»Soll ich mit ihr einen Arzt aufsuchen?« fragte Harald Handschmann besorgt.
»Ich glaube nicht, daß ein Arzt Ihrer Frau helfen könnte«, erwiderte Lance Selby. »Organisch ist sie ja gesund.«
Abel Sabbath, Lance Selby und das Ehepaar aus Aachen gingen zum Hotel zurück. Der Parapsychologe hatte ein eigenartiges Gefühl.
Sein sechster Sinn sagte ihm, daß hier irgend etwas nicht in Ordnung war. Verschiedene Dinge fielen ihm ein, auf die er in den hiesigen Tageszeitungen gestoßen war.
Und vor seinem geistigen Auge braute sich ein unheilvolles Bild zusammen.
Tippi Norman war ein wenig sauer auf ihn, weil sie so lange auf ihn hatte warten müssen. Er setzte sich zu ihr in den Wagen und erzählte ihr, was geschehen war.
Sie besuchten das Marineland.
Aber der Tag war
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