GK323 - Der Selbstmord-Bringer
Obhut anvertraute, konnte ich während Vickys vierwöchiger Abwesenheit ruhig schlafen.
Das dachte ich.
Aber es sollte etwas geschehen, das mir den Schlaf gründlich rauben würde.
In der kommenden Nacht sollten die furchtbaren Ereignisse ihren Anfang nehmen…
***
Ein heller Lichtkegel leckte gespenstisch über den wertvollen Perserteppich.
Ein undeutlich erkennbarer Schatten huschte mit der Taschenlampe in der Hand durch die Wohnhalle des außerhalb Londons gelegenen Hauses.
Dunkelheit brütete in dem weiten Raum, an dessen Wänden koreanische Bambustapeten klebten.
Der Schatten erreichte lautlos wie ein körperloses Wesen die Verbindungstür, die von der Wohnhalle in das angrenzende Arbeitszimmer führte.
Er öffnete sie vorsichtig und trat dann schnell ein.
Einige Augenblicke später hatte der Eindringling sein Ziel erreicht: den Safe. Ein grünes Monstrum, fast mannshoch, breit und schwer.
Der Mann grinste zufrieden, schob einen Stuhl an den Safe heran und legte die Taschenlampe darauf.
Dann holte er schwarze Zwirnhandschuhe hervor und streifte sie mit flinken Bewegungen über die milchig wirkenden Hände.
Im Haus war alles ruhig.
Es war knapp nach Mitternacht.
Der Mann griff nach dem Rädchen der Zahlenkombination und begann mit einer solchen Zielsicherheit daran zu drehen, als wäre es sein Safe. Man konnte meinen, er wußte die Kombination sogar dann, wenn er aus teifstem Schlaf gerissen wurde.
Innerhalb kürzester Zeit ließ sich die schwere Stahltür geräuschlos aufziehen.
Den Mann interessierte das im Safe befindliche Geld nicht im geringsten. Seine Hand schnellte vor.
Er griff nach dem kleinen schwarzen Attachékoffer und zog ihn vorsichtig heraus.
Wieder grinste der Einbrecher zufrieden. Er war wegen dieses Koffers hierhergekommen.
Nun befand sich der Koffer in seinem Besitz. Wenn er jetzt das Haus auf demselben Weg, den er zuvor gekommen war, und ebenso geräuschlos wie vorhin wieder verließ, war die Sache für ihn bestens gelaufen.
Der Mann reckte sich. Da wurde plötzlich die vierflammige Deckenbeleuchtung eingeschaltet. Der Einbrecher fuhr mit einem Laut herum, der zwischen Stöhnen und Krächzen lag.
Er sah sich dem verschlafen wirkenden Hauseigentümer gegenüber.
Der Wissenschaftler Jim Day hatte seinen schwammigen Körper in einen tabakbraunen Schlafrock gehüllt.
Sein Haar war zerzaust. Sein Gesicht wies die Abdrücke des Kissens auf. Dunkelrote Striche.
Jim Day starrte den Eindringling verdattert an.
»Sam!« preßte er verwirrt hervor. »Was tust du in meinem Haus?« Er blickte auf den schwarzen Attachékoffer, den Sam Hyde zu stehlen beabsichtigt hatte. »Was hast du vor?«
Sam Hyde traten dicke Schweißperlen auf die Stirn. Er wußte, daß er den Wissenschaftler nun töten mußte.
***
Oben im Schlafzimmer wälzte sich die rundliche Frau des Wissenschaftlers im Bett ruhelos hin und her.
Sie schlief schlecht, träumte häßliche Dinge und schreckte plötzlich ächzend hoch.
Verwirrt stellte sie fest, daß ihr Mann das Schlafzimmer verlassen hatte.
Sie vermutete, daß er ebenfalls unruhig geschlafen hatte und in die Küche hinuntergegangen war, um seinen Magen mit einer Alka-Seltzer-Tablette zu versöhnen, denn sie hatten zu üppig zu Abend gegessen. Das rächte sich nun.
Pola Day erhob sich schlaftrunken, griff nach dem dünnen Schlafrock und warf ihn gähnend über die runden, gepolsterten Schultern.
Sie zog das dünne Ding vor dem mächtigen Busen fröstelnd zusammen, schlüpfte in die flauschigen Pantoffel und verließ das Schlafzimmer, um ihren Mann in der Küche aufzusuchen.
Nachdem sie die Hälfte der Treppe zurückgelegt hatte, hörte sie Stimmen.
Und sie sah Licht.
Stimmen und Licht kamen nicht aus der Küche, sondern aus dem Arbeitszimmer ihres Mannes.
Nanu, dachte Pola Day erstaunt, mit wem spricht Jim denn?
Sie blieb einen Moment stehen um zu lauschen.
Die Stimmen waren zu hören, aber die Worte waren so unverständlich, daß sie zu einem monotonen Gemurmel verschmolzen.
Ohne es zu wollen, setzte Pola Day die nächsten Schritte ein wenig vorsichtiger, als wolle sie nicht bemerkt werden. Sie hatte das Gefühl, daß dort unten etwas Unangenehmes auf sie wartete.
Und obwohl sich dieses Gefühl mit jedem Schritt, den sie machte, verstärkte, war sie nicht fähig, einfach kehrtzumachen und wieder nach oben zu gehen.
Ihre Neugier war eben doch stärker.
Sie erreichte die Wohnhalle und gelangte zur Tür, die ins Arbeitszimmer führte.
Nun
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