Glaenzende Geschaefte
das Handy des Beamten aus dem Fenster und schwieg.
Löhrings Gedanken donnerten durch den Kopf. Meistens gab es doch für alles eine verblüffend einfache Lösung. Er dachte weiter, schnell wie immer, und dann machte sich tatsächlich eine Welle der Erleichterung in ihm breit. Warum war er nicht gleich darauf gekommen? Er grinste und lehnte sich zurück: »Seien Sie ehrlich, das ist doch Fake hier, oder? Das machen Sie mit jedem: mal gucken, wie der sich anstellt, oder so. Das gehört doch zum Programm?«
»Nein, das gehört zum Leben, du Bonze.« Kellermann erreichte die nächste Hauptstraße und beschleunigte das Tempo.
Der Tag war angenehm luftig, fand Miranda und drehte die Autoscheibe herunter. Gerade als sie auf der Auffahrt das Tempo beschleunigen wollte, überholte sie ein grüner Kleinbus, zog noch in der Kurve an ihr vorbei, schnitt sie fast. Sie hupte, blickte dem Fahrzeug empört hinterher. Und tatsächlich, es tat sich etwas im Innern, denn ein Mann im hinteren Teil des Busses warf sich gegen die Heckscheibe, schien etwas zu rufen, begann zu winken. Sie starrte ihm nach, und unter der sich entfernenden Gestalt im Fenster stand der Name der örtlichen Justizvollzugsanstalt.
»Everybody has the blues.« Miranda Beck drehte die Musik im Autoradio lauter und summte mit, ohne die Lippen zu bewegen. Arme Menschen, dachte sie. Doch immerhin hatte der Häftlingschon rein äußerlich nicht so gewirkt, als friste er ein schnödes Dasein in Ketten. Wahrscheinlich hatte er sich nur irgendetwas mit Geld zuschulden kommen lassen, bestimmt nichts Großes, kein Kapitalverbrechen, eher Betrug oder Scheckkartenschwindel, ein Kaufhausdieb vielleicht.
Aller Illusionen beraubt rutschte Löhring hinten auf der Bank von einer Seite zur anderen. Er versuchte immer noch zu winken, hektisch, mit aufgerissenen Augen und um Hilfe flehend, die Finger auseinandergespreizt, flach auf die Glasscheibe gepresst, wie es kleine Kinder mit ihren Patschehänden in Bus und Bahn tun. Überholende Autofahrer blickten irritiert herüber und zogen kopfschüttelnd an ihnen vorbei. Einige mochten ihn vielleicht sogar erkannt haben als denjenigen, der er war. Doch das änderte nichts. Die Irritation dauerte zwar etwas länger, und statt des Kopfschüttelns kam ein Nicken.
Dann vibrierte sein Handy. Mein Gott, er hatte es ganz vergessen! Wieso dachte man nicht an so etwas, wenn es einem einmal wirklich an den Kragen ging? Wo man dieses kleine, flache Stückchen Welt doch immer einsatzbereit in der flachen Hand hielt, in geradezu infantiler Bindung, um allzeit gewappnet zu sein für die nächste Info. Nur eben jetzt nicht. Löhring fingerte aufgeregt im Innern seines Mantels herum, als sei ein Hummelschwarm darunter.
»Gehen Sie ran.« Kellermann hatte die Waffe wieder in die Hand genommen und hielt sie jetzt nach hinten, mit dem Lauf auf Löhring zielend.
Löhring war so aufgeregt, dass er sein Ohr kaum traf, als er das Smartphone anhob. Es war seine Assistentin in London, die wissen wollte, ob der Rückflug so gebucht werden könne, wie man ursprünglich angedacht habe, und ob der Urlaub schön gewesen sei.
»Ich bin entführt worden!«
Kellermann verlangsamte noch nicht einmal das Tempo. Und anhalten konnte er nicht auf der Autobahn. Doch der Fingerkrümmte sich langsam am Abzug, und ein Klicken war zu hören, als sei es das letzte Geräusch.
Löhring starrte auf das schwarze Loch, aus dem für gewöhnlich die Kugeln kamen.
Oh, das sei ja entzückend, kam es vom anderen Ende der Leitung. Offensichtlich habe sich seine Frau etwas ganz Besonderes ausgedacht, terra incognita sozusagen, ja, sie warte auch schon lange darauf, dass ihr Lebensgefährte sie einmal an einen schönen Ort entführe. Dann noch, dass nichts Dringendes anliege, er solle sich ruhig einmal eine richtige Auszeit gönnen.
Auszeit. Löhring starrte in den Lauf der Waffe, und seine Verzweiflung ließ sich nicht in Worte fassen. Seine Assistentin verstand ihn nicht, er hatte ihr ja oft genug gesagt, sie solle nicht alles so wörtlich nehmen. Oder – und das wäre weitaus schlimmer – sie verstand alles! Der Finger am Abzug krümmte sich weiter, mein Gott, woher wusste der Typ vor ihm so genau, wann der Schuss losgehen würde? Oder war es ihm gar egal? Oh ja, entgegnete Löhring seiner Assistentin, so eine Entführung sei doch eine nette Abwechslung in der Ehe, man lerne völlig neue Perspektiven kennen. Die Waffe verließ vorübergehend sein Sichtfeld, und man beendete
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