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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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Denn dann hatte man das Gefühl, man sei selbst eigentlich auch so. Doch was wichtiger war: Er wollte nun ein Fonds-Produkt in die Runde werfen, das Gold wert sein konnte – gerade zu diesem Zeitpunkt, wo die ewig gleichen Immobilienfonds der Sallewitz-Kesch-Holding trotz Luxusausstattung der Objekte und ausgereizter Mieten so gerade ihre Mindestrenditen einspielten. Kurzum: Winter war der reinste Geldautomat.
    »Auf Ihr Wohl und herzlich willkommen noch einmal.« Mollows Aperitif war schnell hinuntergespült gewesen, und die Vorspeise lag bereits auf den Tellern: Krebse auf glasiertem Chicoree, so frisch und glänzend, als seien sie selbst hergekrochen. Löhring blickte sich diskret um. Es musste tatsächlich noch so etwas wie einen Speiseaufzug hier geben. Musste er sich merken für zu Hause.
    Mollow schien den »liquid Lunch« sehr wörtlich zu nehmen und hatte schon das nächste Glas gehoben, in dem der 2009er Erdener Treppchen Riesling funkelte. »Dann mal ran an den Braten, würde ich sagen.«
    Es klang wie ein Tischgebet, und Löhring genoss es. AuswärtigeTermine um die Mittagszeit hatten stets etwas von Großfamilie. Nichts förderte das Geschäft mehr als das gemeinsame Essen und Trinken, und nichts war schlimmer als eine einsame Wurst im Firmencasino. Zudem war eines sicher: Solange Kellermann den Mund voll hatte, würde er nichts sagen können.
    Kellermann jedoch vermochte zwei Dinge auf einmal zu tun und hob noch kauend sein Glas in Mollows Richtung, während seine linke Hand das Messer für die Hauptspeise hochhielt wie eine Standarte: »Zum Wohle allerseits. Na, wenigstens etwas, das hier noch flüssig ist, was?«
    Nur Winter schien nicht zum Lachen zumute zu sein. Er trank ja auch nur Wasser und hatte sich bereits ins Krebsfleisch vertieft, als er sagte: »Eine Schabe aus Cleveland, Ohio, wurde unlängst von Forschern in eine Batterie verwandelt, nachdem man Elektroden in die Hämolymphe ihres Hinterteils eingeführt hatte. Nullkommazwei Volt, die nach zweieinhalb Stunden nur um fünf Prozent nachließen.«
    Kellermann überkam als Ersten ein Lachkrampf, und er hatte Mühe mit den Nahrungsmitteln, die sich noch in seinem Mund befanden, als er vornübergebeugt mit der flachen Hand rhythmisch auf die Tischkante schlug: »Ach, Winter, Sie sind zwar nicht gerade ein Charmebolzen, aber ein super Spaßvogel. Herrlich.«
    Mollow schob sein Krebshäppchen dezent unter das Chicoreeblättchen und sagte: »Ja, wunderbar. Ein gekonnter Übergang zum Thema, Herr Winter. Ich denke, mit Ihrer Hilfe werden wir in Zukunft wohl weder Goldelektrolyt noch Spannung brauchen fürs Vergolden, nicht wahr? Wie soll das denn nun genau funktionieren mit dem Gold?«
    Und schon war das Wort gefallen. Diese verdammten vier Buchstaben hingen im Raum und knisterten, was das Zeug hielt. Während sich Kellermann mit seinen dicken Fingern noch die Lachtränen aus den Augenwinkeln strich, setzte Winter an mit seiner Geschichte vom Licht: wie es im tropischen Regenwald von Costa Rica mit den unterschiedlichsten Wellenlängen in denbuntesten Spektralbereichen auf die Chitinlagen der Käferpanzer fiel und mit ihnen interferierte, wie es sich auf den feuchten Blättern in den dicken Regentropfen brach, bis alles aussah wie aus Gold und Silber.
    Es war mucksmäuschenstill im Raum, und in den Köpfen schien nur ein Gedanke zu hängen: Gold – alter Traum der Menschheit und sichere Euro-Alternative. Noch während Winter sprach, schweiften die Blicke in die Ferne. Ja, es war plötzlich ein schwüler Hauch Ägyptens spürbar, vom goldenen Zeitalter ferner Länder und Kulturen, Nofretete, Stein der Weisen. König Midas. Löhring wurde heiß, aber nie und nimmer wäre er jetzt zum Fenster gegangen, um die abgestandene Luft und mir ihr den schwülen Hauch Ägyptens hinauszulassen. Er wollte gerade ansetzen und einige seiner Gedanken in die Runde geben, als Winter ergänzte: »Die Bestände der mit Gold und Silber hinterlegten börsennotierten Indexfonds liegen derzeit mit siebenundsiebzig Millionen Unzen und damit zweitausendvierhundertneun Tonnen auf Rekordniveau, und ein handelsüblicher Personenkraftwagen besitzt mehr als vierzig silberbeschichtete Schalter für die Elektronik. China wird dem Markt verstärkt Bestände entziehen.«
    Kellermann wollte wissen, wie das mit der elektrischen Leitfähigkeit dieser Flügelpanzer denn aussehe, ob Winter seine Käfer auch mal unter Strom setze. Wie die Schabe. Doch sein Wortbeitrag fiel nicht weiter

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