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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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Mitgesellschafter Viktor Curlack hatte Mollow dennoch immer dabei.
    Kellermanns Brillengläser verloren langsam wieder ihre Tönung und gewährten Sicht auf die Augen, die im Raum umherzuckten und keinen Fixpunkt zu finden schienen. Man kam sich tatsächlich ein wenig vor wie aus der Zeit gefallen: Das kleine Speisezimmer war nicht klimatisiert, und es hing eine Mischung aus Leder, altem Papier, Zigarrenrauch und Aftershave in der Luft. Kein Luftzug dieser Welt würde dagegen ankommen.
    Kellermann hob einen der Teller an und kippte ihn, bis er das Sallewitz-Wappen am Boden sehen konnte. Er erschrak fast darüber, stellte ihn abrupt wieder ab und lehnte sich zu Löhring herüber: »Pst. Wissen Sie was?«
    »Ich weiß eine Menge. Fragen Sie nur.« Löhring spülte eine seiner Pillen mit einem Glas Wasser hinunter.
    »Das glaubt einem ja keiner. Junge, Junge. Also, wenn ich jetzt ein Buch über all das hier schreiben würde …«
    Löhring unterbrach ihn: »Sie nicht, Kellermann. Sie werden das hübsch bleiben lassen.«
    »Ich meine ja nur. Also, wenn ich schreiben würde, wie das hier so ist, dann würden die Leute denken, ich hätte überhaupt keine Fantasie, weil das alles so ist, wie man sich das eben vorstellt und kein bisschen anders, höchstens schlimmer. Das nimmt einem doch keiner ab. Die würden alle denken, ich bin bekloppt.« Kellermann schien sich gar nicht mehr beruhigen zu können. »Oder wir sind hier schon in irgendeinem Roman gelandet und wissen das nur nicht! Alter Schwede.«
    »Wir sind hier nicht bei der Kreissparkasse in Gütersloh, Kellermann. Die für Sie gängigen Realitätsbegriffe greifen hier nicht.« Oh Gott, es würde nie und nimmer gut gehen mit diesem Typen, dachte Löhring. Er konnte nun doch eine gewisse Anspannung vor diesem Termin nicht leugnen, musste wieder an seine Theorie des arrangierten High Conflict Management Trainings denken. Er begann, sich näher umzusehen, tastete mit den Augen jedes einzelne Kabel über Putz ab, suchte kleine Linsen, versteckte Lichtquellen.
    »Oh, meine Herren, nun gucken Sie doch nicht so skeptisch!«
    Mollow und Curlack hatten sich mit der Pünktlichkeit preußischer Güterzüge nebeneinander in den Raum geschoben und trieben den schmalen Winter vor sich her. Man begrüßte sich überschwänglich, und Löhring hätte schwören können, dass Kameras dabei waren.
    »Dann wären wir ja komplett. Herr Winter, nehmen Sie doch Platz. Mögen Sie etwas trinken?«
    »Wir kommen alle aus dem Wasser.« Winter lehnte Tablet-PC und Aktenkoffer an einen Stuhl, ging ans Fenster, nahm ein kleines Kofferradio aus seinem Sakko und stellte es vor sich ab.
    »Ja, aus dem Wasser also. Wie wahr. Sehr schön.« Friedrich Mollow hatte etwas Churchillhaftes an sich, dieselbe Bulligkeit und Behäbigkeit in jedem Gesichtsausdruck und bei jeder Bewegung. Er würde sich gut mit Kellermann verstehen, so wie er sich stets gut mit Kesch verstanden hatte. Genau genommen, war Mollow kein echter Sallewitz. Er hatte nur die Erbin mit den meisten Bankanteilen geehelicht und war selbst eher der Typ verarmter Landadel. Doch immerhin hatte er durch seinen geschickten Expansionskurs die Bilanzsumme des Hauses nahezu verfünffacht, und so konnte er wohl mit Recht behaupten, dass ihm das »Banktotainment«, wie er es scherzhaft zu nennen pflegte, in den Genen läge.
    Und jetzt wirbelte der Banker erst einmal wie aufgezogen durch den Raum, sodass sein doppelgeschlitztes Sakko über dem Gesäß schwungvoll aufwippte und den lila Futterstoff hervorblitzen ließ. Sein Blick blieb irritiert an Winters Transistorradio hängen.
    »Einer meiner Ticks«, erläuterte Winter.
    Mollow lächelte verständnisvoll. Wahrscheinlich hatte auch er seine Ticks, für die schon längst kein Transistorradio mehr reichte.
    Löhring mochte Mollow und Curlack. Man konnte nicht gerade behaupten, dass sie drahtig und blitzschnell waren oder gar smart. Sie waren auch nicht die Typen, bei denen jedes Wort saßund die einen »closer to the deal« brachten. Nein, Mollow und Curlack waren das wohltuende Gegenteil: old school, fast schon barock, in weit geschnittenen, ausgesucht feinen Doppelreihern mit ausladenden Revers und breiten Nadelstreifen, komme, was da wolle, glänzenden Knöpfen und kecken Einstecktüchern. Die letzten Bewahrer von Stil und Haltung. Hier sprach man Deutsch. Dass sie jemals einen wie Kesch mit ins Geschäft geholt hatten, war erstaunlich.
    Das Geschäft bestand aus einer einzigen Säule:

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