Glaenzende Geschaefte
sichtbarer werden in der heimischen Szene. Die Bank war ganz heiß aufs Goldkäfer-Geschäft, und allein mit der Antrittsprämie für seinen Aufsichtsratsposten bei SKARABÄUS hätte er sich bei Kellermann freikaufen können. Aber auch Kellermann schien zwischenzeitlich in anderen finanziellen Dimensionen zu denken, denn er blieb im Spiel, und einen anderen Grund als das ganz große Geld schien es dafür nicht zu geben. Löhring griff zum Telefon, drückte auf »mb« und sagte: »Kaffee.«
Als Löhring eine Woche später zum Arbeitstermin in Keschs Villa erschien, saß Kellermann in einem üppig gepolsterten Outdoormöbel auf der Terrasse und las Todesanzeigen. Löhring blickte ihm über die Schulter: »Na, Kellermann, Marktrecherche, was?«
»Man kann nie wissen, was kommt.« Kellermann zündete sich eine Zigarette an. »Aber wenn die Zeit gekommen ist, ist die Zeit gekommen.«
Löhring zischte Kellermann ins Ohr: »Digitale Abstinenz ist zwar durchaus angesagt, Kellermann, aber deswegen müssen Sienicht hier sitzen, Zeitungen fressen und über die Zeit sinnieren. So, mein Lieber, kommen Sie nie in die Community. Wir leben zwar gut, aber nicht langsam!«
Löhring war gereizt, hatte zudem schlecht geschlafen. Noch vor zwei Stunden war er wieder als hautfarbener Käfer aufgewacht, zappelnd und zuckend auf dem Rücken, wie immer mit gekrümmter Wirbelsäule und krauser Nase, um sich herum Bettdecke, die ihn wie eine feuchte, schwere Masse umgab. In solchen Momenten fiepte er mehr, als dass er atmete, durch Öffnungen am Hinterleib, durch die alle Käfer ihren Sauerstoff in den Körper pumpten. Er wäre beinahe auf allen vieren ins Badezimmer gekrabbelt. Glücklicherweise hatte seine Frau schon vor Jahren ihr eigenes Zimmer bezogen, und er wollte sich lieber nicht vorstellen, als was sie jeden Morgen aufwachte. Er gab Kellermann von hinten einen Buff an die Schulter. »Mensch, Kellermann, bleiben Sie aktiv in dieser Phase. Sie dürfen nicht immer flüchten vor den Dingen!«
»Ich bin auf der Flucht, wenn ich Sie daran erinnern darf.« Kellermann sagte es langsam und legte den Kopf schräg. »Auf den Flügeln der Zeit fliegt die Traurigkeit dahin.«
»Wie bitte?«
»Steht hier.« Kellermann klopfte auf die Zeitung. »Schön, nich?«
»Tun Sie das weg.«
Kellermann blickte zu Löhring auf. »Wieder schlecht geschlafen, was? Also, mich beruhigt das mit den Anzeigen. Habe ich früher oft gelesen wegen der Einbrüche.«
»Was kauen Sie da?«
Kellermann schien es nicht gehört zu haben und fuhr fort: »Wissen Sie, was ich oft denke? Die Leute, die hier in den Anzeigen stehen, die brauchen doch ihre Erinnerungen nicht mehr. Man müsste sie kaufen und implantieren können. Erinnerungsspende sozusagen. Das wäre ein echter Zukunftsmarkt für Leute, die bisher im Leben weniger Schwein gehabt haben.«
»Für meine Erinnerungen würde man noch Geld draufgelegtbekommen«, sagte Löhring. Er dachte an seinen Käfertraum und strich über die Westerland. »Geht es Ihnen nicht gut, Kellermann? Sie sehen schlecht aus. Was kauen Sie da?«
»Johanniskrautkapseln.«
»Stress?«
»Ach, hören Sie auf.« Kellermann ließ die Todesanzeigen auf den Boden fallen. »Alle wollen plötzlich investieren. Das verdammte Handy hört gar nicht mehr auf zu piepen vor lauter Mails und Anrufen. Die überrennen mich wie beim Schlussverkauf, als wär ich ein Kaufhaus!«
»Genau das sind Sie, gewöhnen Sie sich lieber gleich daran. Und denken Sie immer an Ihren Anteil an der Kohle.« Löhring zog sich mühsam das zweite Outdoormöbel heran, auf dem für gewöhnlich Ilse Kesch saß. Es quietschte fürchterlich.
»Das Teil hat hinten Räder. Sie müssen es nur vorne anheben«, sagte Kellermann. Und dann brach es aus ihm heraus: »Diese verdammte Reiserei, sage ich Ihnen. Ich kann nicht mehr schlafen, und morgens sitze ich stundenlang auf fremden Pötten.«
»Das ist das Wurzelchakra, Kellermann. Seien Sie froh, dass Sie wenigstens in einer Zeitzone bleiben können.« Löhring suchte im Polster nach einer Position, aus der er in seine Hosentasche greifen konnte. »Wollen Sie ein paar Nüsse? Oder lieber was Chemisches?«
»Ich muss immer meine Fresse in die verdammten Kameras halten. Ich hasse diese Baustelleneinweihungen.«
Löhring musterte ihn: »Krafttraining vielleicht? Ich denke, Sie sind eher der Typ, der bei Stress aufschwemmt, was?«
Doch Kellermann schien es gar nicht gehört zu haben. »Dann das Risiko, dass das hier doch alles
Weitere Kostenlose Bücher