Glaenzende Geschaefte
auffliegt. Und nehmen Sie nur mal die Staatsanwaltschaft. Untreue, Korruption, Steuerhinterziehung, sagen die. Ganz schön schweres Geschütz ist das. Ich habe als Kesch ja noch mehr Dreck am Stecken als vorher!«
»Mit steigendem Handlungsspielraum sinkt der Cortisolspiegel. Wird schon, Kellermann, wird schon. Sie müssen sich mehrdezentrieren.« Löhring kam sich schon dezentriert vor durch das pure Aussprechen. Verblüffend, fand er.
Doch Kellermann half es nicht. »Ich weiß schon gar nicht mehr, wer ich bin.«
Kellermanns Persönlichkeitsanteile schienen immer noch die Oberhand über Kesch zu behalten. Das ging zulasten der Identifikation und konnte verdammt gefährlich werden, sich zur reinsten Profilneurose auswachsen. Löhring versuchte es anders: »Kellermann ist für die Polizei immer noch unauffindbar, wie vom Erdboden verschluckt. Selbst für die sind Sie weg, stellen Sie sich das mal vor! Sie sind jetzt Kesch! Sie wird niemand festnehmen.«
»Fuck you. Da wär ich mir nicht so sicher.«
»Keine Geschichte ohne Gesicht, Kellermann. Sie haben eben Keschs Fresse. Menschen sind nicht auf Inhalte, sondern auf Leute fixiert. Was meinen Sie, warum man Winter noch nicht eingeliefert hat? Wenn der angestellt arbeiten würde, hätte der schon längst einen Schwerbehindertenausweis. Aber so kann er machen, was er will. Und warum? Weil er ›the face‹ hat.«
»Ich mag die alle nicht, diese Banker mit ihren Breitling-Uhren und Poloturnier-Hämatomen am Arsch. Und Winter ist auch nicht mein Fall. Der mobbt mich. Nimmt mich gar nicht wahr.«
Löhring winkte ab. »Winter ist der einsamste Mensch auf Erden, glauben Sie mir. Wenn der in sich geht, trifft er dort niemanden.«
»Blutet der eigentlich, wenn man den sticht?«
»Keine Ahnung.«
»Das macht mich alles aggressiv. Und ich habe so ein Engegefühl.«
»Aggressiv? Gut. Sehr gut, Kellermann.«
»Gar nicht gut. Alles, was ich gelernt habe, ist dahin.«
»Na, für den einen oder anderen Bruch wird’s doch wohl noch reichen.«
Kellermann winkte ab. »Das meine ich nicht. Ich meine Stressprävention. Progressive Muskelentspannung. Meine Stabilisierungsgruppeim Knast würde mich fertigmachen, wenn die mich jetzt so sehen würden.«
Das war nun wirklich zum Brüllen, und Löhring begann lauthals zu lachen: »Kellermann, keine Stabilisierungsgruppe dieser Welt könnte Typen wie uns helfen! Wir sprechen hier von einer anderen Dimension. Da hilft Ihnen keiner!«
Kellermann verstand nicht und wandte sich wieder der Zeitung zu.
Löhring schlug sie ihm aus der Hand. »Zu wenig Stress ist die falsche Strategie, Kellermann. Sie müssen den Stress zu Ihrem besten Kumpel machen. Eustress nennt man das. Sie müssen sich ihm hingeben, mitfiebern, ihn ansonsten delegieren. Aber reden Sie um Gottes willen nicht drüber. Und irgendwann kriegen Sie es dann hin.«
»Was? Was kriege ich dann hin?«
»Na, die Entkoppelung von Erfolg und Anstrengung. Glauben Sie mir, da mussten wir alle durch. Es wird eben mit harten Bandagen gekämpft.« Löhring blickte auf Kellermanns behaarte Unterarme. »Da dürfen Sie nicht zimperlich sein, Kellermann. Go for it! Legen Sie sich eine App auf Ihr Smartphone: Börse, Xetra, Kcast Gold, Bloomberg oder wie die alle heißen. Dann kurzer Blick auf veröffentlichte Wirtschaftsdaten, Aktienindizes, Analystenberichte, Vergleichsrechner. Fünf Minuten. Fertig. Reicht völlig.«
Kellermann hob die Zeitung auf und las: »Einschlafen dürfen, wenn man müde ist, die Last fallen lassen, die man getragen hat, ist eine tröstliche, eine wunderbare Sache.«
Ilse Kesch war auf die Terrasse getreten, ohne dass die beiden es bemerkt hatten, und sagte, so etwas hätte sie für Edgar auch gern geschaltet.
Am nächsten Tag setzte Löhring den ersten Teil seines Plans um und ging bei der Dangast-Gartencenter-Gruppe in die bewusste Risikokommunikation. Er hatte zu diesem Zwecke einen kleinen, ausgewählten Kreis von Analysten und Pressevertreterneinladen lassen und blickte jetzt über deren Köpfe hinweg aus dem Fenster in die Ferne, mit dem unheilvollen visionären Touch, den er bei Winter gesehen hatte. High risk eben.
Und dann begann er langsam und souverän: Der Dangast-Gruppe gehe es noch nicht wirklich gut. Das müsse er zunächst einmal feststellen. Er, Löhring, sehe sich mit völlig ungeordneten Finanzen konfrontiert, er müsse zudem mindestens einen Unternehmensteil auf den Prüfstein stellen und dem Rest einen harten Sanierungskurs verordnen,
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