Glaenzende Geschaefte
Ilse dabei, wie sie ihr Glas hastig in einem Zug austrank. Dann lehnte er sich vor in Ilse Keschs Richtung, dachte an Langs Verkörperung der Worte und stierte ihr in die Augen: »Sie hat ihn umgebracht. Sie war es, oder?« Ilse schwieg, und Löhring fuhr fort: »Ilse, du musst dich davon lösen. Es belastetdich, das sehe ich doch.« Er blickte zu Kellermann. »Jürgen, sag du doch auch mal was.«
Jürgen schwieg, und Ilse Keschs Blick ging nach draußen in den Garten. Sie hatte einen kleinen Ölbaum in der Nähe der Grube gepflanzt, da, wo es nicht weiter auffiel. So viel Grabpflege mochte man ihr zugestehen, solange sie nicht auch noch eine Laterne aufstellte, dachte Löhring. Und auch er ließ seinen Blick schweifen wie ein Adler, lange bevor die Beute aus dem Loch kommt. »Ilse, sie hat doch bereits alles so gut wie gestanden, als wir sie mit Jürgen konfrontiert haben!«
Nun schien es Jürgen zu reichen. »Kellermann, für Sie immer noch Kellermann, verdammt noch mal!« Er biss in seinen Cracker und leckte sich die Finger.
Ilse reichte ihm eine Serviette.
»Ich für meinen Teil lasse die Vergangenheit hinter mir, beschäftige mich mit dem, was sein kann, und nicht mit dem, was war oder was ist. Ja, man ist am besten da, wo man noch gar nicht war, und ich will da sein, wo noch kein anderer vor mir war«, sagte Löhring. Kellermann tippte sich an die Stirn, doch Löhring ließ den Blick immer noch schweifen und fuhr fort: »Also, Ilse, lass das mit dem Management mal unsere Sache sein. Die Dangast kriegt ihr Fett schon ab.«
»Das meine ich nicht.« Ilse Kesch war die ganze Zeit über erstaunlich ruhig geblieben.
Löhrings Blick war ruckzuck wieder im Raum. »Was soll das heißen?«
»Ihr seid nicht die Einzigen. Ich bin auch dran an ihr.«
»Wie, jetzt?«
»Na, sie zahlt an mich.«
Löhring und Kellermann wechselten blitzschnelle Blicke. Jetzt hätte man sich wirklich duzen können, dachte Löhring. Denn er wusste, dass Kellermann in diesem Moment dasselbe dachte, und sie saßen sprachlos auf dem Sofa wie das »Tatort«-Ermittlerduo aus Köln.
Ilse Kesch hob die Arme und ließ sie kraftlos wieder in denSchoß fallen. »Ja, herrje, sie hat ihn erschossen. Ich hab’s auf dem Film, und das weiß sie auch. Ich habe ihr gesagt, dass ich zwei Millionen dafür will.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich wollte eben auf Nummer sicher gehen. So als Frau braucht man ein zusätzliches Standbein, wenn der Mann zu Tode kommt. Es war ja auch ein Kapitalverbrechen.«
Kellermann entfachte ganz langsam das Feuer an der Streichholzschachtel und zündete Ilse und sich selbst eine Zigarette an.
Zwei Wochen später ging SKARABÄUS online, und die Käfer wurden gephotoshopt. Sie verloren ein paar Härchen an den Beinen, wurden kompakter und knuddeliger gemacht, gecopied und gepasted, dreidimensionalisiert, und ihre Panzer erstrahlten in gleißendem Licht. Die virtuellen Pendants hatten auch ganz andere biologische Eigenschaften, schwirrten rasant in ungeahnte Höhen, statt auf dem Boden Mistkugeln vor sich herzuschubsen, eroberten die Netzwerke, wurden zum JPEG komprimiert, zum Pop-up und zum Bildschirmschoner, dass einem die Augen weh taten, wenn man zu lange hinguckte. Einige der echten Käfer mussten fortan in abgegrenzten Arealen als lebende Werbeträger fungieren, mussten kleine, an den Hinterbeinen befestigte Schildchen hinter sich herzerren, auf denen die Namen der Investoren standen. Eine Mikro-Webcam übertrug jede ihrer Bewegungen auf die neu lizenzierte »My Gold Bug«-App, mit der die Investoren Depotkonstruktionen simulieren konnten. Die armen Käfer indes wurden mit den Schildchen noch langsamer, als sie ohnehin schon waren, und kamen damit kaum noch auf die Mistkugeln, um sich zu orientieren.
Eine Werbeagentur wurde anschließend mit der Inszenierung des Logos beauftragt, und man empfahl einen Skarabäus als Graffiti-Schablonenmuster, um dem Ganzen einen jungen, innovativen und doch haptischen Touch zu geben. Als sie während des Pitches mit der Agentur den Kaffee servierte, erwähnte Miranda, dass es ein ovaler Kreis mit zwei Punkten darin doch auch tun würde, und lächelte. Ein Kollege aus dem neu ins Lebengerufenen Marken-PR-Bereich notierte dies und griff es wenig später auf. Man übernahm seinen Vorschlag sofort.
Und dann kam der Mann, der all diese jüngsten Maßnahmen offenbar zu verantworten hatte, den sie kurzerhand zum Aufsichtsratschef gemacht hatten und den Miranda schon vom Telefon kannte:
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