Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Jakobine. »Ungefähr,« erwiderte Jakob Collin. »Also ist das ein Grund für die Nourrisson, ihr Haus loszuschlagen; selbst kann sie es nicht führen, und man findet nicht so leicht Vertreterinnen, wie man sie will. Du kannst die Geschichte leicht in Ordnung bringen. Wir werden dort ein Auge haben ... Aber diese Angelegenheiten sind alle drei nicht so wichtig wie die Unterhandlungen, die ich wegen unserer Briefe anknüpfen will. Trenne also deinen Rock auf und gib mir die Muster der Ware. Wo sind die drei Pakete?« »Ei, bei der Roten.« »Kutscher!« rief Jakob Collin, »fahren Sie wieder zum Justizpalast, und flott! – Ich habe Eile versprochen, und ich bin schon eine halbe Stunde fort, das ist zuviel! Bleib bei der Roten und gib die versiegelten Pakete dem Bureaudiener, der nach Frau von Saint-Estève fragt. Das ›von‹ ist die Parole; dann muß er dir sagen: ›Gnädige Frau, ich komme vom Herrn Oberstaatsanwalt; Sie wüßten weshalb.‹ Stell dich vor der Tür der Roten auf und gib acht, was auf dem Blumenmarkt vorgeht, damit Prélard keinen Verdacht schöpft. Sowie du die Briefe aus der Hand gegeben hast, kannst du Paccard und Prudentia arbeiten lassen.« »Ich errate,« sagte Jakobine, »du willst Bibi-Lupin verdrängen. Der Tod dieses Burschen hat dich ganz auf den Kopf gestellt!« »Und Theodor, den man die Haare schneiden wollte, um ihn heute um vier zu sensen!« rief Jakob Collin. »Nun, das ist ein Gedanke! Wir enden als ehrliche Leute und Bürger mit einem schönen Besitz in einem schönen Lande, in der Touraine.« »Was sollte aus mir werden! Lucien hat meine Seele, mein ganzes glückliches Leben mitgenommen; ich sehe noch dreißig Jahre der Langweile vor mir, und ich habe keinen Mut mehr. Statt der Dab des Bagnos zu sein, werde ich der Figaro der Justiz, und ich werde Lucien rächen. Nur in der Haut der Polizei kann ich Corentin mit Sicherheit vernichten. Das heißt noch einmal leben, wenn ich einen Menschen zu fressen habe. Der Stand, den man im Leben hat, ist nur ein Schein; die Realität, das ist der Gedanke!« fügte er hinzu, indem er sich vor die Stirn schlug. »Wieviel hast du jetzt in unserm Schatz?« »Nichts,« sagte die Tante, erschreckt durch den Ton und das Wesen ihres Neffen. »Ich habe alles für deinen Kleinen gegeben. Die Romette hatte nicht mehr als zwanzigtausend Franken für ihren Handel. Frau Nourrisson habe ich alles abgenommen; sie besaß etwa sechzigtausend Franken für sich ... Ach, wir liegen in Laken, die seit einem Jahr nicht mehr gebleicht worden sind. Der Kleine hat die Gelder der Spitzen, unsern Schatz und alles, was die Nourisson besaß, verzehrt.« »Das machte?« »Fünfhundertsechzigtausend Franken...« »Wir haben Hundertfünfzigtausend in Gold, die Paccard und Prudentia uns schuldig werden. Ich werde dir sagen, woher du weitere zweihunderttausend nehmen kannst... Der Rest kommt aus Esthers Nachlaß. Wir müssen die Nourrisson auszahlen. Mit Theodor, Paccard, Prudentia, der Nourrisson und dir werde ich das heilige Bataillon, das ich brauche, bald zusammen haben ... Höre, wir sind gleich da ...« »Hier sind die drei Briefe,« sagte Jakobine, die eben zum letztenmal die Schere an das Futter ihres Rockes gehoben hatte. »Gut,« erwiderte Jakob Collin, indem er die drei kostbaren Autographe entgegennahm: drei noch duftende Velinpapiere. »Theodor hat das Ding in Nanterre gemacht.« »Ah, er!« »Schweig, die Zeit ist kostbar. Er wollte einen kleinen korsischen Vogel namens Ginetta füttern ... Du wirst die Nourrisson benutzen, um sie zu finden; ich werde dir die nötigen Anweisungen durch einen Brief zukommen lassen, den Gault dir überreichen wird. Du wirst in zwei Stunden an das Portal der Conciergerie kommen. Es handelt sich darum, dieses kleine Mädchen auf eine Wäscherin loszulassen, die Schwester Godets, da soll sie sich einnisten ... Godet und Ruffard sind Mitschuldige La Pourailles bei dem Raubmord an den Crottats. Die vierhundertfünfzigtausend Franken sind unberührt; ein Drittel im Keller der Gonore, das ist La Pourailles Anteil; das zweite Drittel im Schlafzimmer der Gonore, das gehört Ruffard; das letzte Drittel ist bei der Schwester Godets. Wir werden zunächst hundertfünfzigtausend Franken von La Pourailles Anteil nehmen, dann hunderttausend von dem Godets und hunderttausend von dem Ruffards. Sowie Ruffard und Godet im Loch sind, haben sie selbst beiseitegebracht, was an ihren Anteilen fehlt. Wir werden ihnen weismachen: Godet, daß wir
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