Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
trocken; »das nenne ich, es mir gegenüber an Achtung fehlen lassen.« »Er hat recht, meine Kleine,« sagte Paccard. »Siehst du, das ist dasselbe, wie wenn der Dab dir hunderttausend Franken schenkte. Soviel ist der Laden wert. Er liegt auf dem Boulevard, dem Gymnase gegenüber. Da gehen alle Leute vorüber, wenn sie aus dem Theater kommen ...« »Ich werde noch mehr tun, ich werde auch das Haus kaufen,« sagte Betrüg-den-Tod. »Dann sind wir in sechs Jahren Millionäre!« rief Paccard.
Da Betrüg-den-Tod der Unterbrechungen müde war, versetzte er Paccard einen solchen Fußtritt gegen das Schienbein, daß er es ihm fast zerschlagen hätte; aber Paccard hatte Nerven aus Kautschuk und Knochen aus Eisen. »Genug, Dab! Wir schweigen!« sagte er. »Glaubt ihr, ich rede hier Albernheiten?« erwiderte Betrüg-den-Tod, der jetzt merkte, daß Paccard ein paar Gläschen zuviel getrunken hatte. »Hört zu! Im Keller des Hauses liegen zweihundertfünfzigtausend Franken in Gold – ...« Wiederum herrschte im Fiaker tiefstes Schweigen. »Dieses Gold liegt unter einer sehr harten Vermauerung, und ihr habt nur drei Nächte, um zu ihm zu gelangen. Jakobine wird euch helfen ... Hunderttausend Franken werden dazu benutzt, den Laden zu bezahlen, fünfzigtausend für den Ankauf des Hauses, und den Rest laßt ihr liegen.« »Wo?« fragte Paccard. »Im Keller?« fragte Prudentia. »Ruhe!« sagte Jakobine. »Ja, aber für die Übertragung des Besitzes braucht man die Erlaubnis der Polizei,« warf Paccard ein. »Die wird man erhalten,« sagte Betrüg-den-Tod trocken; »in was mischst du dich ein?«
Jakobine sah ihren Neffen an, und ihr fiel auf, wie sehr dieses Gesicht hinter der reglosen Maske, unter der dieser so starke Mensch gewöhnlich seine Empfindungen verbarg, verändert war.
»Meine Tochter,« sagte Jakob Collin zu Prudentia Servien, »meine Tante wird dir die siebenhundertfünfzigtausend Franken zurückgeben.« »Siebenhundertdreißig,« sagte Paccard. »Meinetwegen siebenhundertdreißig,« fuhr Jakob Collin fort. »Du mußt unter irgendeinem Vorwand noch einmal in das Haus der Freundin Luciens gehen. Du wirst durch die Dachluke steigen und übers Dach durch den Kamin in das Schlafzimmer deiner verstorbenen Herrin eindringen; da wirst du das Paket, das sie gemacht hatte, in der Matratze ihres Bettes verstecken ...« »Und weshalb nicht durch die Tür?« fragte Prudentia Servien. »Dummkopf! Die Siegel liegen davor!« versetzte Jakob Collin. »In ein paar Tagen wird das Inventar aufgenommen, dann seid ihr an dem Diebstahl unschuldig ...«
»Es lebe der Dab!« rief Paccard. »Ach, welche Güte!«
»Kutscher, halt! ...« rief Jakob Collin mit seiner gewaltigen Stimme. Der Fiaker war eben vor der Droschkenhaltestelle des Jardin des Plantes angelangt. »Fort, meine Kinder,« sagte Jakob Collin, »und macht mir keine Dummheiten! Seid heute abend um fünf Uhr auf dem Pont des Arts, da wird meine Tante euch sagen, ob kein Gegenbefehl erlassen ist ... Man muß alles voraussehen,« flüsterte er seiner Tante leise zu. »Jakobine wird euch morgen auseinandersetzen, wie ihr es anfangen müßt, um das Gold gefahrlos aus dem Keller zu holen. Das ist eine sehr heikle Sache ...«
Prudentia und Paccard sprangen auf das Pflaster des Königs hinaus, glücklich wie zwei begnadigte Diebe. »Ach, was für ein wackerer Mann der Dab ist!« sagte Paccard. »Er wäre der König der Männer, wenn er die Frauen nicht so sehr verachtete!« »Ei, liebenswürdig ist er!« rief Paccard; »hast du gesehen, was für einen Fußtritt er mir versetzte? Wir verdienten, ad patres geschickt zu werden, denn schließlich haben wir ihn in Verlegenheit gebracht...« »Wenn er uns nicht«, sagte die geistreiche und schlaue Prudentia, »in irgendein Verbrechen verwickelt, um uns auf ›die Wiese‹ zu schicken ...« »Er! Wenn er das wollte, würde er es uns sagen, da kennst du ihn nicht! ... Wie hübsch er dich versorgt! Jetzt sind wir Bürger. Was für Aussichten! Oh, wenn er einen liebt, dieser Mensch, dann hat er an Güte nicht seinesgleichen!«
»Mein Liebchen,« sagte Jakob Collin zu seiner Tante, »übernimm du die Gonore, du mußt sie einschläfern; sie wird in fünf Tagen verhaftet werden, und man wird in ihrem Schlafzimmer hundertfünfzigtausend Franken in Gold finden, die dann noch von einem andern Anteil aus der Ermordung der alten Crottats, des Vaters und der Mutter des Notars, übrigbleiben.« »Dann erhält sie ihre fünf Jahre Weiberhaus,« sagte
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