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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Morrisons Augen weiteten sich im selben Moment, so als bekäme sie einen Schreck. Doch sie sagte nichts.
    Der Augenblick verging. »Was genau kann ich für Sie tun, Mrs. Demmet?«
    »Nennen Sie mich Anna, bitte.«
    Ein dünnes Lächeln erschien auf ihren Lippen. »Ein verstanden , wenn Sie Emily sagen.«
    »Ihre Nichte hat mir erzählt, dass Sie irgendwie … Kontakt zu den Seelen der Menschen herstellen können, Emily. Sie meinte, mein Sohn sei auf der Suche nach dem Licht, könne es aber nicht finden. Ich habe mir überlegt, dass er vielleicht nicht das Licht des Jenseits sucht, sondern das Licht der Wirklichkeit! Vielleicht können wir ihn mit Ihrer Hilfe aus dem Gefängnis seines Wachkomas befreien!«
    Emily musterte mich schweigend. Ihre braunen Augen konnten vermutlich genauso sanft sein wie Marias, doch jetzt hatten sie eine durchdringende Schärfe, die mich frösteln ließ.
» Sie
haben sich überlegt, was
Ihr Sohn
|33| sucht?«, fragte sie. Ihre Stimme war ruhig, doch der Tadel darin unüberhörbar: Ich hatte mich zu weit vorgewagt, hatte voreilige Schlüsse gezogen, mir ein Urteil über Dinge erlaubt, die ich nicht verstand.
    Ich erwiderte ihren Blick. »Könnte es denn nicht so sein?«
    Ihr Gesichtsausdruck wurde milde. »Sie lieben Ihren Sohn so sehr, dass sie ihn um jeden Preis wiederhaben wollen, nicht wahr?«
    »Allerdings. Egal, was passiert, ich werde ihn nicht aufgeben. Niemals!«
    »Anna, ich weiß nicht, ob ich Ihnen helfen kann. Die Seele Ihres Sohnes lässt sich nicht herumkommandieren oder führen wie ein Ochse am Nasenring. Wenn er nicht zu Ihnen zurückwill, dann kann weder ich noch sonst irgendjemand ihn dazu zwingen!«
    »Aber er will zu mir zurück«, protestierte ich. »Das weiß ich einfach! Wenn … wenn sich sein Geist irgendwie verirrt hat, dann müssen wir ihm helfen. Bitte, lassen Sie es uns wenigstens versuchen!«
    »Also schön. Ich will versuchen, Kontakt mit ihm aufzunehmen.« Sie setzte sich auf Erics Bett, strich sanft über seine Wangen und seine Stirn. Dann nahm sie seine kraftlose linke Hand, legte ihre schlanken Finger darum und schloss die Augen.
    Lange geschah nichts. Es gab nicht das geringste Anzeichen dafür, was hinter Emilys krauser Stirn vorging. Auch Eric lag schlaff und teilnahmslos da wie immer.
    Nach ein paar Minuten überkamen mich Zweifel, ob mir Emily nicht doch nur Theater vorspielte. Wie lange sollten wir denn noch hier sitzen und tatenlos zusehen? Maria erwiderte meinen fragenden Blick mit einem Schulterzucken.
    |34| Ich streckte meine Hand aus und legte sie sanft auf Emilys.
    Es war, als öffne sich ein Abgrund unter mir. Der Raum drehte sich um mich, dann umgab mich Schwärze. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, nicht mehr in dem Krankenzimmer zu sein, sondern auf einer weiten, leeren Ebene, bedeckt mit Steinen und grauem Sand, unter einem blassen, konturlosen Himmel.
    Ich schrie auf vor Schreck.
    Ich öffnete die Augen und begriff erst in diesem Moment, dass ich sie geschlossen hatte. Emily blickte mich an. Ihre Augen waren geweitet, ihr Gesicht totenbleich. »Tun Sie das nie wieder!«, sagte sie mit bebender Stimme.
    »Was … was war das?«, fragte ich.
    Emilys Augen verengten sich. »Was haben Sie gesehen?«
    »Da … da war so eine Art Wüste … Steine, Sand … alles war grau und leer …«
    Emily stand auf. »Ich muss jetzt gehen«, sagte sie.
    »Nein, warten Sie! Emily, bitte!« Ich hatte keine Ahnung, was da gerade geschehen war, aber ich wusste, es war etwas Außergewöhnliches. Etwas, das mein nüchternes Weltbild zertrümmerte und meinen New Yorker Realismus, auf den ich so stolz war, im Handumdrehen wie Engstirnigkeit und Borniertheit erscheinen ließ.
    Ich war mir sicher: Ich hatte für einen kurzen Moment gesehen, was Erics verirrter Verstand sah.
    Ich hatte seine Seele berührt.

|35| 4.
    Ich fühlte mich plötzlich klein und bedeutungslos, war gleichzeitig überwältigt von dem, was ich soeben erlebt hatte. Es war, als sei alles, was ich bisher für die Realität gehalten hatte, nur eine Fassade, die etwas viel Größeres, viel Bedeutenderes verbarg. »Bitte, Emily, hilf mir!«, sagte ich mit tränenerstickter Stimme. »Bitte, bring mich noch einmal zu ihm!«
    Sie schüttelte langsam den Kopf. »Das geht nicht! Sie haben offenbar ebenso wie ich die Gabe, Seelen zu berühren. Aber Sie haben keinerlei Erfahrung damit, und er ist Ihr Sohn. Niemand kann sagen, was geschieht, wenn Ihre Seelen sich so nahe kommen. Dafür kann ich die

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