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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Verantwortung nicht übernehmen!«
    Ich fasste Eric an beiden Händen, schloss die Augen und versuchte, das Bild heraufzubeschwören, das ich so deutlich gesehen hatte. Doch da war nichts. Ohne Emilys Hilfe konnte ich den Kontakt nicht herstellen.
    Ich spürte ihre Hand auf meiner Schulter. »Anna, Ihr Sohn wird seinen Weg auch ohne uns finden, da bin ich sicher.«
    Ich blickte auf, direkt in ihre sanften Augen, und sah, dass es eine Lüge war. Ich kämpfte die Tränen nieder. »Was haben Sie gesehen?«
    »Dasselbe wie Sie: eine leere Ebene.«
    »Was hat das zu bedeuten, Emily?«
    »Ich weiß es nicht. Aber …«
    »Was, aber?«
    »Normalerweise ist es anders. Normalerweise sehe ich |36| Gesichter, manchmal diffuse Farben oder Formen, gelegentlich auch Erinnerungsfetzen, meist von schlimmen Ereignissen. Aber ich habe noch nie etwas so klar gesehen. Und niemals zuvor eine solche Landschaft. So … leer.«
    Ich spürte, dass sie noch nicht alles gesagt hatte, also wartete ich.
    »Er war nicht dort«, sagte sie nach einem Moment. »Ich habe überall gesucht, doch ich konnte Erics Seele nicht finden.«
    »Aber ich kann es!« Ich hatte keine Ahnung, woher die plötzliche Gewissheit kam, aber sie war da. »Maria hat von einer Art Kompass gesprochen, mit dem die Seelen den Weg zum Licht finden, nicht wahr?«
    Emily nickte langsam.
    »Ich bin sicher, ich habe auch so einen Kompass. Ich glaube, jede Mutter hat ihn in Bezug auf ihre Kinder. Ich kann ihn bestimmt aufspüren. Sie müssen mich nur noch einmal an diesen Ort bringen!«
    »So einfach ist das nicht«, sagte Emily. »Es ist schon sehr anstrengend, wenn man es allein macht. Zu zweit hab ich es noch nie probiert. Und wie ich schon sagte, es ist gefährlich.«
    »Es ist mir egal, ob es gefährlich ist!«, rief ich. »Mein Sohn wird nie wieder aufwachen, wenn wir ihm nicht helfen!«
    »Anna, es liegt nicht in unserer Hand, ob er …«
    »Doch, das liegt es, verdammt noch mal!« Zorn durchströmte mich. Ich war Erics Rettung so nah, und nun kam mir diese merkwürdige Frau mit irgendwelchen esoterischen Bedenken.
    Emily seufzte. »Also schön. Ich brauche jetzt etwas Ruhe, aber ich komme morgen wieder. Dann versuchen wir es noch einmal.«
    |37| Durch den Schleier meiner Tränen erschien ihr Gesicht auf einmal strahlend schön. »Danke!«, sagte ich nur.
     
    In dieser Nacht schlief ich unruhig. Ich träumte davon, auf einer leeren Ebene herumzuirren, die ich nie mehr verlassen konnte.
    Als Eric fünf Jahre alt war, hatten wir einen kurzen Urlaub in Las Vegas gemacht. Das war, bevor Ralph mich verließ. Er hatte dort beruflich zu tun – er war Anwalt – und meinte, es sei eine gute Idee, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Mich erschreckte die Stadt eher: all der falsche Glanz der Casinos und Showpaläste, die vielen einsamen Menschen, die verzweifelt versuchten, den Maschinen ein wenig Glück zu entreißen.
    Ralph hatte viel zu tun und kaum Zeit für uns, und so waren Eric und ich meistens allein. Eric wollte unbedingt mal eine richtige Wüste sehen, also unternahmen wir einen Ausflug ins Death Valley. Die Landschaft sah aus, als habe jemand ein riesiges schmutziges Handtuch zerknüllt. Es war eindrucksvoll, aber ich hatte die ganze Zeit eine fast übermächtige Angst, der Wagen könne liegenbleiben und wir beide würden hier mitten in der Wüste verdursten. Trotz der Klimaanlage unseres Mietautos stand mir die ganze Zeit der Schweiß auf der Stirn. Als wir abends endlich zurück im Hotel waren, weinte ich beinahe vor Erleichterung. Ich mag Wüsten nicht besonders.
     
    Am nächsten Morgen fuhr ich ins Krankenhaus und ging die meiste Zeit unruhig in Erics Zimmer umher. Ich war so nervös, dass ich ernsthaft überlegte, wieder mit dem Rauchen anzufangen, nur um irgendwas zu tun, bis Emily kam. Maria sah ich den ganzen Tag nicht.
    Am Abend überkam mich die Angst, Emily werde ihr |38| Versprechen nicht halten. Ich ging ins Schwesternzimmer und fragte nach Maria. Ich erfuhr, dass sie sich krankgemeldet hatte, und war mir plötzlich sicher, dass auch Emily einen Vorwand finden würde, um nicht zu kommen. Ich setzte mich wieder an Erics Bett und war auf einmal sicher, dass sich sein entspanntes, leeres Gesicht nie wieder zu einem Lächeln verziehen würde. Mein Hals schnürte sich zusammen.
    »Hallo, Anna.«
    Ich fuhr herum. Ich hatte Emily nicht hereinkommen hören. »Du … du bist gekommen!«
    Sie sah mich ernst an. »Ich hatte es doch versprochen.« Sie zog

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