Glashaus
und sein Pokerface zu glatt. Aber ein wenig mehr als dieses ausdruckslose Starren hätte dennoch drin sein sollen.
Es klopfte.
Die Tür wurde geöffnet.
Haffner betrat den Raum. Der Anwalt nickte ihm respektvoll zu, Bellini sah zur Seite und Boyle, der mit dem Rücken zur Tür saß, widerstand dem Drang sich nach Haffner umzusehen.
„ Hauptkommissar Boyle. Ich muss Sie sprechen. Unter vier Augen. Es ist dringend.“
Boyle erhob sich und teilte dem Mikrophon in der Mitte des Tisches mit, dass er die Vernehmung des Beschuldigten Younas Aris unterbrach.
Haffner hielt Boyle die Tür auf. Beide traten nach draußen in den von Morgenlicht durchfluteten Flur.
„ Ich weiß nicht, woher Du es wusstest und es ist mir auch egal. Aber sie haben gerade eben aus Santa Fu angerufen. In Färbers Zelle war ein Mobiltelefon versteckt. Und sie haben eine Dosis Strychnin bei ihm gefunden.“
Haffner tat gar nicht erst so, als habe er seine Meinung über Boyle revidiert.
„ Ich hab von Deinem Geschäft mit Becker gehört, Du hast also Tommy Grafs Akten gefunden, was?“
Haffner zog die Augenbraue hoch, was seinem Bulldoggengesicht den Ausdruck eines gereizten Jagdhundes verlieh.
„ Nein, hab ich nicht. Und der einzige Deal, den ich mit Becker derzeit zu laufen hab, ist schon über ein Jahr alt.“
Haffners kleine Augen kochten und seine breiten Lippen waren zu einem missbilligenden Strich zusammengepresst.
„ Ich hab auch noch was anderes gehört, dass Du bei Stiller warst, als er sich erschossen haben soll.“
„ Und?“
„ Vielleicht glaubt Dir Becker ja. Vielleicht WILL er Dir ja auch glauben. Aber ich weiß, dass Du es warst, der ihn erschossen hat. Irgendwann krieg ich Dich dafür dran.“
Keine Drohung, sondern ein Versprechen. Andererseits war Boyle von Anfang an klar gewesen, dass die Abmachung, die er mit Haffner in Tommys Wohnung getroffen hatte, nur eine verschwindend geringe Halbwertzeit haben konnte.
„ Ich weiß, wer den Container aus Lagos bestellt hat. Und weshalb.“
Haffner mochte bereit sein Boyle zuzuhören, doch kaum dazu Boyle auch zu glauben, was er sagte.
Boyle war es gleich.
„ Ein Typ im Außenministerium. Er muss zwar Hilfe vom BND gehabt haben, aber getan hat er es für die Amis, die in Nigeria dick im Ölgeschäft sind und sich vor `ner richtigen Regierung fürchten.“
Haffner ließ sich Boyles Worte durch den Kopf gehen.
„ Die meisten der Leute im Container waren Dissidenten. Halif hat das Geschäft vermittelt. Deshalb halten sie in Berlin die Hand über ihn.“
„ Kannst Du es beweisen?“
Boyle schüttelte bedauernd den Kopf.
„ In diesem Fall wird es nie eine Anklage geben, ganz gleich welche Beweise wir eines Tages mal anbringen sollten.“
Boyle wandte sich wieder der Tür zu. Haffner blickte ihm unentschlossen nach.
„ Ich will nichts von Dir Haffner“, sagte Boyle, bevor er die Klinke herunterdrückte. „Vielleicht mal abgesehen davon, dass Du mir glaubst, dass ich die Schweinerei mit den Toten im Container genauso zum Kotzen finde, wie Du.“
Haffner glaubte Boyle jedoch nicht. Und Boyle stellte fest, dass er eine ganze Menge dafür gegeben hätte, dass es nicht so gewesen wäre.
9 Uhr 50. Der schwarze Polizist war fertig mit ihm. Er hatte Younas gefragt und Younas hatte auf jede seiner Fragen so gut es ihm möglich war geantwortet. Nur eine einzige Frage hatte er ihm bisher noch nicht gestellt: Wofür hast du es getan?
Younas hatte den Mann kaum aus den Augen gelassen, und auch wenn Bellini, der Anwalt und der Dolmetscher zusammen mit ihnen hier in dem Zimmer gewesen waren, hatte Younas doch ab einem bestimmten Moment immer wieder das Gefühl, dass sie beide allein gewesen seien, er und dieser Bulle. Weshalb hatte er nicht danach gefragt? Weil er verstand wofür und weshalb Younas getan hatte, was er getan hatte?
Doch vielleicht war es auch gar nicht so wichtig, dass dieser Fremde Younas verstand. Vielleicht war alles, was jetzt noch zählte, dass die Leute draußen in den Straßen erfuhren, dass der Mann Younas Aris vielleicht ein Mörder war, aber nur deshalb nicht auch ein Killer.
„ Draußen warten Ihre Frau und Ihre Tochter. Wenn Sie mir versprechen, dass Sie keinen Fluchtversuch unternehmen werden, gebe ich Ihnen zehn Minuten mit ihnen. Allein. Hier in diesem Zimmer.“
Der Anwalt zog die Augenbrauen auf und Bellini besah sich andachtsvoll ihre Fingernägel.
„ Was willst Du dafür haben?“, fragte Younas und benutzte dafür zum ersten Mal
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