Glashaus
Beamten getan haben, als Sie zu ihnen gingen, um die Vergewaltigung Ihrer Tochter anzuzeigen. Doch deswegen hatten Sie nicht das Recht diese vier Jungen zu töten.“
Der Dolmetscher übersetzte. Younas wandte seine Blicke auf ihn, sah aber, nachdem der Dolmetscher fertig war, wieder zu Boyle.
„ Es gibt Dinge, die man niemals entschuldigen kann. Einem Mädchen gegen ihren Willen eine Colaflasche zwischen die Beine zu rammen, und das dann auch noch Nachtisch zu nennen, gehört dazu. Was hätte euer Gott von einem Jungen gehalten, der so etwas tut? Was ist das für ein Gott, der so etwas verzeihen könnte, sag mir das, Polizist. Das ist nicht mein Gott, der zugelassen hat was diese Tiere meinem Mädchen angetan haben“
Die Übersetzung zog sich aus irgendeinem Grund hin.
Bellini erwachte aus ihrer nachdenklichen Starre. In ihren großen braunen Augen blitzte bitterer Sarkasmus auf.
Younas wandte sich Bellini zu.
„ Mein Gott ist kein Gott für Feiglinge. Da, wo ich herkomme ist das Leben härter als hier in Eurer Stadt. Dort könnte man manchmal sogar auf die Idee kommen, dass sich selbst die Steine gegen einen verschworen hätten. In einer Gegend, wie der tut selbst Gott besser daran, auf die Menschen zu vertrauen, als dass die Menschen gut daran täten, auf Gott zu setzen, um ihre Probleme zu lösen.“
Younas machte eine kleine Pause, die er nutzte um von Gesicht zu Gesicht zu sehen.
„ Ich bin schon lange in eurem Land. Und bis gestern habe ich geglaubt, dass hier Dinge, wie man sie meiner Tochter angetan hat, nicht möglich sein könnten. Ich habe mich geirrt. Und da ist noch ein Unterschied zwischen meinem Gott und Eurem: Mein Gott hätte nie daran gezweifelt, dass er manchmal gegen den aufrichtigen Zorn eines einzelnen Mannes vollkommen machtlos ist.“
Younas war nicht sicher, ob der schwarze Polizist ihn verstanden hatte. So verstanden hatte, wie er wollte, dass seine Worte verstanden werden sollten.
Bellini wenigstens - so viel war sicher - musste ihn besser verstanden haben, als ihr selbst wohl lieb gewesen sein konnte. In ihre Augen kroch zusätzlich zu dem bitteren Sarkasmus, ein verhaltener Schimmer aus Kraft und Härte.
„ Nun gut – wenn wir jetzt die philosophische Komponente soweit geklärt hätten, möchte ich doch ganz gern hören, worauf sich der Haftbefehl gegen meinen Mandanten konkret stützt?“ Der Anwalt wandte sich an Boyle. Doch der reagierte nicht. Niemand im Zimmer konnte ahnen, was Younas Sätze von Zorn und Göttern in Boyle hervorgerufen hatten: das Bild vom Herzen eines toten Mannes, kristallin überfroren von blutig schimmerndem Schnee.
Halifs Geschäft war nicht Philosophie. Halifs Geschäft waren Waffen, Drogen, Politik und Mord. Zumindest solange, wie er so billig zu haben war, wie von Younas Aris, der zwar unbeirrbar an die Härte seines Gottes glaubte, aber sich sosehr vor der der Menschen erschrak, dass er aus Verzweiflung statt blindem Zorn heraus, gleich vier von ihnen getötet hatte.
Immer dann wenn Boyle bislang in Gefahr geraten war den Irrsinn im Kleinen, als den Vorschein des Irrsinns im Großen vorauszuahnen, hatte er sich in Ignoranz geflüchtet. Doch heute war es damit vorbei. Wenigstens für einen einzigen Tag. Was allerdings noch immer nicht hieß, dass er es fertig brachte seelenruhig dabei zuzuschauen, wie Halif Kahn sich aus jeder Verantwortung stahl. Das hatten in dieser Affäre bereits zu viele getan. Und Boyle selbst zu aller erst.
9 Uhr 35 . Younas hatte Boyle seine Geschichte erzählt und ihm danach bereitwillig seine wenigen Fragen beantwortet. Der Dolmetscher verrichtete routiniert seine Arbeit. Bellini hielt sich vornehm heraus und selbst der Anwalt hatte sich kaum einmal zu einem der üblichen Spielchen hinreißen lassen. Es war still geworden in dem kleinen Vernehmungszimmer.
Boyle dachte daran, dass, hätte Halif Kahn irgendwann einen Hinweis darauf erhalten, dass sich sein abtrünniger Dealer statt mit einer Freundin, mit einem halb professionellen Stricher vergnügte, womöglich selbst die Vergewaltigung von Younas Tochter nicht ausgereicht hätte, um jene verhängnisvolle Kette an Ereignissen in Gang zu setzen, wegen der sie hier zusammengekommen waren.
„ Halif Kahn hat Sie kalt lächelnd benutzt, das ist Ihnen doch hoffentlich klar.“
Younas Blick wurde undurchdringlich.
„ So kann man das sehen“, übersetzte der Dolmetscher.
Boyle hatte keinen aufbrausenden Sturm in Younas erwartet. Dazu war der Mann zu intelligent
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