Glaub an das Glueck, Annabelle
Herausforderung bedeutete.
Wie sollte sie es bloß eine ganze Woche in der beunruhigenden Gegenwart von Stefano Cortez aushalten, wenn sie schon der Gedanke an das bevorstehende Dinner in Angst und Schrecken versetzte?
Reiß dich zusammen, Mädchen! versuchte sie sich selbst Mut zu machen. Du wirst schließlich nicht mit ihm allein sein! Zum Glück wusste sie von Stefano, dass alle Mitarbeiter der Hazienda zusammen an dem riesigen Tisch im Esszimmer aßen.
Sie würde einfach darauf achten, den Platz zu wählen, der am weitesten von ihm entfernt lag, auch wenn das kindisch war. Aber wie sollte sie sonst verhindern, dass er die seltsamen Reaktionen ihres verräterischen Körpers mitbekam?
Kaum war er in ihrer Nähe, schien sie sich von ihrer bevorzugten Maske, die der souveränen, unterkühlten Businessfrau, in ein albernes, romantisches Schulmädchen zu verwandeln! Vielleicht hätte sie die Warnungen von allen Seiten doch ernster nehmen sollen. Ab sofort würde sie Stefano Cortez mit eisiger Höflichkeit behandeln und auf diese Weise wenigstens ihrem Ruf gerecht werden.
Während sie ihren etwas verworrenen Gedanken nachhing, war Annabelle instinktiv immer schneller gegangen, sodass sie ziemlich atemlos am Haus ankam. Trotzdem würde sie zu spät kommen! Leise vor sich hinschimpfend hastete sie die Treppe empor, in ihr Gästezimmer und sprang unter die Dusche. Anschließend frottierte sie ziemlich grob ihr nasses Haar und band es nach kurzem Föhnen noch feucht zu einem Pferdeschwanz zusammen.
Nicht gerade die beste Frisur, um von ihren Narben abzulenken, aber mehr Zeit blieb ihr einfach nicht. Unerlässlich aber war auf jeden Fall, das Camouflage-Make-up aufzulegen, ohne das sie niemals ihre Privaträume verließ. Annabelle verrichtete das alltägliche Ritual mit zitternden Fingern und versicherte sich mit einem prüfenden Blick, ob die lange rote Narbe, die sich über eine Wange und die halbe Stirn zog, tatsächlich perfekt abgedeckt war. Erst dann stieß sie den angehaltenen Atem aus und nickte sich aufmunternd zu.
Von der Narbe war nichts mehr zu sehen, aber zu spät kommen würde sie trotzdem. Und das passierte ihr als ausgewiesener Pünktlichkeitsfanatikerin sonst nie! Ihre Wangen brannten vor Verlegenheit, als sie sich Stefanos sarkastische Reaktion ausmalte: So lange haben Sie gebraucht, um etwas Legeres zum Anziehen zu finden, Miss Wolfe?
Und damit könnte er mitten ins Schwarze treffen! Mit fliegenden Fingern öffnete sie ihren sorgfältig gepackten Koffer und wühlte ihn durch. Ohne nennenswerten Erfolg! Unglücklicherweise war sie durch den Ausfall ihrer Assistentin gezwungen gewesen, die Kleiderauswahl selbst zu treffen. Das Legerste , was sie sich erlaubt hatte, war ein langes Seidengewand, das sie vor Jahren auf einem Markt in Hongkong erstanden hatte und ein Paar Flip-Flops.
Na großartig!
Himmel, wie sie Marie vermisste! Sie war die beste Assistentin, die sie je gehabt hatte. Wie konnte eine begabte Fotografin ihre vielversprechende Karriere nur in den Wind schießen, um sich als Ehefrau und Mutter niederzulassen?
Meine Kamera wird auf mich warten, hatte Marie ihr lächelnd erklärt, aber die Zeit mit Kindern ist so kurz und kostbar, dass ich keine Sekunde versäumen will.
Beim Gedanken an das erschöpfte, aber überglückliche Gesicht ihrer Assistentin, als sie Marie kurz nach der Geburt ihres Babys im Krankenhaus besucht hatte, musste Annabelle schlucken. Und wenn sie dazu auch noch an den anbetenden Blick des frischgebackenen Vaters dachte, drohten ihr sogar die Tränen zu kommen.
Kein Selbstmitleid! befahl sie sich energisch und straffte die Schultern.
Entschlossen nahm sie einen Hosenanzug aus dem Koffer, der dem grauen sehr ähnlich war, und zog ihn über ihre frische weiße Baumwollunterwäsche. Sollten Stefano und die Jungen sich ruhig über ihre steifen Klamotten amüsieren. Ihr machte das nichts aus. Oder wenigstens sollte es das nicht …
Mit ausdruckslosem Gesicht überprüfte Annabelle ihre Erscheinung ein letztes Mal im Spiegel, zog entschlossen ein paar blonde Strähnchen aus dem festen Pferdeschwanz und ließ sie ins Gesicht fallen, bevor sie sich abrupt umwandte und das Zimmer verließ. Acht Uhr und fünf Minuten!
Während sie nach unten hastete, überlegte sie, dass die Hazienda fast so groß wie Wolfe Manor sein musste, obwohl sie nur zwei Stockwerke hatte.
Vor der Tür zum Speisesaal verharrte sie kurz und presste eine Hand auf ihr wild hämmerndes Herz. Dann atmete
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