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Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar

Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar

Titel: Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Zak
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zittrigen Händen sein Handy aus der Hose und rief Judith an.
    »Judith, ich bin’s. Mir ist beruflich etwas dazwischengekommen. Ich kann nicht mit. Grüß deine Mutter.« Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Josif auf. Schweigend warteten die Männer einige Minuten, bis der Student am PC fertig war. Er druckte eine Seite aus und steckte sie ein.
    Dann gingen sie hinaus. Zuerst Sergej, gefolgt von Josif, Wladimir und dem Studenten. Jurijs BMW parkte vor der Hofeinfahrt. Sergej setzte sich ans Steuer, der Student nach vorn, Wladimir und Josif nach hinten. Çoban stand vor seinem Gemüseladen und beäugte misstrauisch den fremden Wagen, der vor seinem Haus parkte.
    Im Auto forderte Wladimir Josif mit einer Geste auf, ihm seine Waffe auszuhändigen. Josif tat es. Sie fuhren los. Niemand sagte ein Wort. Über die Zoobrücke und die Innere Kanalstraße kamen sie nach Sülz. An der Luxemburger Straße stieg der Student aus. Sergej fuhr weiter auf die Autobahn. Am Kreuz Köln-Süd fuhr er Richtung Bonn und nahm dann die Abfahrt nach Wesseling.
    Nach etlichen Kreisverkehren bog der Wagen in eine holprige Straße mitten in einem verlassenen Industriegebiet ein und hielt an der Hofeinfahrt zu einem alten Fabrikgebäude. Dort wartete bereits Jurij in Heidis pinkfarbenem Lamborghini. Alle Männer stiegen gleichzeitig aus.
    »Komm, wir gehen spazieren«, sagte Jurij.
    Sie gingen durch die Hofeinfahrt in den Innenhof der seit Jahren leer stehenden ehemaligen Kabelfabrik. Die zwei Bodyguards blieben am Auto. Auf einmal hatte Josif keine Angst mehr. Im Gegenteil, er verspürte eine euphorisierende Leichtigkeit, eine schicksalsergebene Vorfreude auf die Erlösung, auf die Befreiung von den immer wiederkehrenden Panikattacken – seinem Hindukusch-Souvenir –, auf den endgültigen Abschied von Gier, Hinterhältigkeit, Dummheit. Von all den menschlichen Eigenschaften, mit denen er schon von Berufs wegen seit Jahren zu tun hatte. Einzig der Gedanke, dass er Judith nie mehr sehen würde, schmerzte ihn. Josif hätte jetzt gern eine Zigarette geraucht. Als ob Jurij seine Gedanken lesen könnte, zog er ein Päckchen aus der Tasche und bot Josif eine an. Die erste Zigarette nach zwei Jahren schmeckte unglaublich gut. Rauchend spazierten sie auf dem Fabrikgelände umher.
    »Wie lange kennen wir uns, Josif?«
    »Lang genug, um zu wissen, dass man nicht alles voneinander weiß.«
    »Es gibt Sachen, die sollte man besser nicht tun.«
    »Jurij, es interessiert mich wirklich nicht, wie es in deinem Arsch aussieht.«
    »Du hast mir nachgeschnüffelt. In Heidis Auftrag. Du hast ihr gesagt, wo ich bin und was ich mache. Wie nennst du dieses Verhalten?«
    »Dummheit.«
    »Ich nenne es Verrat.«
    Josif zog zum letzten Mal an seiner Zigarette, warf sie auf den Boden und schaute ihr hinterher.
    Der Asphalt auf dem Gelände war rissig. Durch die Risse hatten sich hie und da kleine Pflanzen durchgekämpft, die schon vertrocknet waren. Josif stellte sich vor, wie er daliegen würde, mit einem blutenden Loch im Kopf. Die Vorstellung ließ ihn kalt. Er schaute Jurij an und fragte ruhig:
    »Machen das deine Jungs oder soll ich selbst …?«
    3
    Zum Nachtisch gab es rote Grütze.
    Judith saß am Tisch im Wohnzimmer ihrer Mutter gegenüber und hörte ihr mit halbem Ohr zu.
    »…und dann fielen die Bomben. Die ganze Nacht saßen wir im Bunker, hatten nur Wasser und trockenes Brot …«
    Judiths saß auf demselben Platz wie immer, mit dem Blick auf die Wand, wo die Familienfotos hingen: Judith mit Vater und Mutter als Baby, Judith mit der Schultüte, Hochzeitsfotos von den Eltern, Opas, Omas, Tanten. Seit Vaters Tod vor 28 Jahren hingen die Fotos unverändert da. Judith versuchte, sich ihren Frust nicht anmerken zu lassen. Sie war von Josifs Absage enttäuscht. Vor allem die Art und Weise hatte sie verletzt. Er hätte seine Absage wenigstens erklären können. Sie wartete immer noch auf seinen Anruf. Judith nahm ihr Handy, überlegte kurz und schaltete es aus.
    Sie hatte sich wie ein Kind darauf gefreut, Josif ihr Geburtshaus zu zeigen. Den Garten, wo immer noch der Sandkasten stand, in dem sie gespielt hatte, die Schaukel, das Kinderzimmer. Sie hätte ihm die alten Fotos gezeigt, ihre Puppen, die Poster über dem Bett.
    »… und dann kam der Iwan. Die Russen waren schlimm, aber noch schlimmer waren die Polen. Ich kann mich genau daran erinnern, ich war sechs, wir waren auf der Flucht, und meine Mutter, deine Oma, hatte Onkel Günther auf dem Arm, er war damals

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