Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
verkauft hätte, hätte er vermutlich nicht mal ein Zehntel der Summe bekommen. Und noch etwas ganz Unbedeutendes, Judith: Während ich auf dich gewartet habe, hat Silvia etwas über die Kölner Bau AG herausgekriegt. Rate mal, wer der Hauptaktionär ist?«
»Du nicht!«
»Die West-Ost AG. Und die gehört mit über 75 Prozent Pechstein und Jurij.«
»Was meinst du damit, Josif?«
»Nichts. Nur eine Info. Was hast du jetzt vor?«
»Sandini festnehmen. Schellsicks hat ihn wiedererkannt.«
»Er sieht ein 30 Jahre altes Foto und erkennt seinen Auftraggeber? Nachdem er vorher sicher war, es sei Klaus der Prophet gewesen? Und dann steht immer noch Aussage gegen Aussage. Ein angesehener Theaterschaffender gegen einen Drogensüchtigen, der jeden bärtigen Mann für seinen Auftraggeber hält.«
»Hast du einen besseren Vorschlag?«
»Ja.«
4
Gabriel Sandini begleitete Jörg Schmocke, den Petrus-Darsteller, zur Tür und verabschiedete sich mit einer herzlichen Umarmung. Jörg Schmocke und sein Freund waren die glücklichen Nachmieter von Sandinis Dreizimmer-Altbauwohnung im gefragten Kölner Stadtteil Klettenberg. Sandini schenkte den beiden die komplette Wohnungseinrichtung. Er wollte nur einen großen Koffer mitnehmen mit Fotoalben, Tagebüchern, Erinnerungsgegenständen an seine Eltern und einigen wenigen Kleidern. Sandini hatte keine Familie mehr, von der er sich hätte verabschieden können, keine Kinder oder Geschwister, die Eltern waren tot.
In einer halben Stunde wollte er zur Bank gehen, um das vorbestellte Geld teils in bar (Euro und Dollar), teils in Schecks abzuholen. Insgesamt 5,5 Millionen Euro, zwei Millionen von der Versicherung für das Haus und 3,5 Millionen aus dem Grundstücksverkauf.
In zwei Tagen ging der Flug nach San Francisco. Davon wusste natürlich niemand. Er hatte allen erzählt, dass er nach Asien auswandern würde. Alles war perfekt geplant und bis ins Letzte durchdacht.
Auch bei seiner Arbeit als Regisseur war er für seinen fanatischen Perfektionismus bekannt. Alles, auch das winzigste Detail, musste genauestens organisiert werden und reibungslos funktionieren. Vielleicht hing das mit seiner Kindheit zusammen, die ziemlich chaotisch verlaufen war. Mal wuchs er bei der Mama, mal bei der Großmutter auf, und mit sechs Jahren wanderte er mit seiner Mutter nach Kalifornien aus, wo sie zehn Jahre in einer Hippie-Landkommune verbrachten. Den Vater, der 20 Jahre älter war als die Mutter, sah er nur sehr selten, ein bis zwei Wochen im Jahr in den Sommerferien.
Nach dem College ging Sandini zurück nach Deutschland und bestand auf Anhieb die Prüfung an der staatlichen Schauspielschule in Dortmund. Nach dem Abschluss übernahm er die Leitung des Theaters von seinem schwer kranken Vater. Es folgten 30 Jahre Schauspiel- und Regiearbeit, immer am Existenzminimum, im ständigen Kampf und Geschacher mit dem Kulturamt um Zuschüsse und Subventionen. Sandini hatte genug davon.
Da klingelte sein Handy.
»Sandini.«
»Hallo Gabriel, ich bin’s, Volker. Volker Schellsicks. Kennst du mich noch?« Er flüsterte mehr, als dass er sprach.
»Nein, tut mir leid, Sie haben sich verwählt.« Sandinis Stimme klang belegt.
»Warte mal, leg nicht auf. Wir haben uns im ›Harem‹ kennengelernt, bei der Party, beim Geburtstag von Wladimir, und die Telefonnummern ausgetauscht.«
»Ich kann mich nicht daran erinnern.«
»Und wir haben uns im März wiedergetroffen, in Porz. Da hattest du aber ein Pennerkostüm an und hast dich Klaus genannt. Ich fasse mich kurz, Gabriel. Ich bin im Krankenhaus im Knast und gerade alleine auf dem Klo. In zwei Minuten spätestens muss ich hier raus. Pass auf, mir ist es wurst, ob du oder Klaus der Prophet mit mir im Knast sitzt. Für mich ändert das nichts an meinen zehn Jahren. Nur wenn ich hier rauskomme, wäre es schön, ein bisschen Kohle zu haben. Meine Freundin Natascha holt morgen bei dir 200 000 Euro ab. Wenn du einverstanden bist. Wenn nicht, rufe ich sofort bei den Bullen an. Du hast 30 Sekunden Zeit, dich zu entscheiden.«
Sandini versuchte, einen klaren Kopf zu bewahren und die Situation schnell und genau zu analysieren. Bei einer Gegenüberstellung würde Aussage gegen Aussage stehen. Wem würde man eher glauben, einem Künstler, der seit vielen Jahren die Theaterszene Kölns entscheidend mitgeprägt und sich sozial und politisch engagiert hatte, oder einem aus Magdeburg zugezogenen Dealer und Brandstifter? Beweisen konnte Schellsicks ohnehin nichts. Die zwei
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