Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
Anrufe damals hatte Sandini von einer Telefonzelle aus gemacht. Indizien? Das Anatevka-Kostüm war mit dem Theaterfundus verbrannt. Es könnte höchstens passieren, dass die Polizei wieder ermitteln und ihm erst mal die Ausreise verweigern würde. Das wäre schade, denn übermorgen ging ja schon der Flug.
Sandini entschied sich, ihn hinzuhalten.
»Ich schaff es nicht, so viel Geld in bar bis morgen zu besorgen. Heute ist Freitag. Ich kann erst am Montag zur Bank.«
»Gut. Natascha wird sich am Montag bei dir melden. Und keine dummen Tricks!«
Sandini legte auf und lächelte zufrieden.
Auf der anderen Seite der Leitung legte Schellsicks auf und lächelte zufrieden Judith an. Judith lächelte zufrieden zurück, setzte die Kopfhörer ab und rief Jan an, der mit dem bereits ausgestellten Haftbefehl vor Sandinis Haus wartete. Jan lächelte zufrieden die Kollegen an und gab das Okay für den Zugriff.
5
Auszüge aus dem Verhörprotokoll: Gabriel Sandini
Sandini: Ich wollte nicht mehr am Existenzminimum leben. Für das Theater hätte ich nicht genug bekommen, es stand unter Denkmalschutz, man hätte es nicht abreißen dürfen. Ich bin nicht mehr jung, ich wollte in Frieden und Würde das Leben genießen, mir Zeit nehmen für Reisen, Museen, Bücher.
Wendel: Wer war in Ihre Pläne eingeweiht?
Sandini: Niemand. Ich habe alles alleine durchgeplant. Hans Pechstein hat mal erwähnt, dass er das Grundstück kaufen würde, wenn man da bauen könnte. Aber er hatte mit der Planung und der Durchführung der Brandstiftung nichts zu tun.
Wendel: Wie kamen Sie auf Schellsicks?
Sandini: Jurij Golub, ein russischer Geschäftsmann, ist Mitglied im Förderverein des Theaters. Er hat mich mal zur Geburtstagsparty von einem Freund eingeladen, dem eine Wellness-Sauna gehört. Da habe ich Schellsicks kennengelernt. Er war dort für die Drogen zuständig. Und als bei Probenbeginn Klaus der Prophet auftauchte, hatte ich die Idee … Dass Christian Pechstein dabei umkam, ist natürlich eine Katastrophe. Niemand hätte ahnen können, dass er zwei Stunden nach der Premiere immer noch im Theater sein würde.«
V
1
Es dämmerte. Josif saß bei Judith auf dem Balkon und genoss die Abkühlung nach einem heißen, schwülen Tag. Judith schaute die Wohnungsanzeigen im Kölner Kurier an.
»Also ausgemacht. Du kommst morgen mit zu meiner Mutter? Ich möchte gerne, dass du sie kennenlernst, bevor wir zusammenziehen.«
»Okay.«
»Dann schlafen wir aus, frühstücken und fahren um elf.«
»Okay.«
»Hier: Haus, 160 Quadratmeter, fünf Zimmer mit Büroräumen.«
Josifs Handy spielte die Internationale. Pechstein war dran.
»Herr Bondar, wann sind Sie morgen im Büro?«
»Ich habe morgen keine Zeit.«
»Es ist sehr wichtig.«
»Gut, kommen Sie um zehn.«
»Morgen um zehn Uhr. Auf Wiederhören.«
»Pechstein hat mir was Wichtiges mitzuteilen. Ich fahre morgen um zehn ins Büro und hol dich dann um elf hier ab.«
»Einverstanden. Hör mal: Haus, 160 Quadratmeter mit Büroräumen im Untergeschoss, 1300 Euro warm.«
»Hört sich gut an. Mit Blick auf den Dom?«
»Nicht ganz. Im Sauerland. 85 Kilometer bis zur Stadtgrenze.«
»Großartig. Sonst was Neues in der Welt?«
»Ja.« Judith blätterte in der Zeitung. »Der FC Köln hat einen neuen Geißbock und schöpft wieder Hoffnung … Wirtschaft … Kultur … ein Artikel über Sandini. Soll ich vorlesen?«
»Bitte.«
»Sandini hat alles gestanden. ›Ich wollte in Frieden und Würde leben‹, sagte er dem Kölner Kurier. Dass Christian Pechstein dabei umkam, war natürlich eine Katastrophe. Niemand konnte ahnen, dass er so lange nach der Premiere noch im Theater war.
30 Jahre Theaterleitung, immer am Existenzminimum, das ständige Geschacher und der Kampf mit dem Kulturamt um Zuschüsse und Subventionen haben Sandini zermürbt und zum Verbrecher gemacht.«
Josif nickte: »Klar, das Kulturamt ist für die steigende Kriminalitätsrate verantwortlich.«
Judith legte die Zeitung weg: »Ich bin wirklich erleichtert, dass der Fall Jesus abgeschlossen ist. Und weißt du, was die Kollegen aus dem Gefängnis erzählt haben? Klaus der Prophet hat geweint, als er entlassen wurde. Er wollte in der Zelle bleiben.«
»Ich hatte mal einen Freund, der hieß Jesus«, sagte Josif unvermittelt.
»Ja, Jesus ist für alle da. Hab ich dich zum Glauben bekehrt?«
Josif ging in die Küche.
»Du hattest doch noch so eine halbe Flasche Whisky. Wo ist die hin?«
»Die haben wir längst ausgetrunken.
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