Glauben Sie noch an die Liebe
und es gab keinen Aufzug, sodass man immer da hochtappeln musste. Ich bin ständig hier vorbeigefahren, und irgendwann stand mal »zu vermieten« dran. Damals war das Haus aber zu groß für meine eigene Firma. Dann nahm es jemand anders. Jahre später wurde es wieder frei, und wir haben es gemietet, mit einem relativ langfristigen Mietvertrag. Als ich den Vertrag hatte, bin ich zum Eigentümer gegangen und habe ihm vorgerechnet, dass er noch mehr verdienen könnte, wenn er es mir verkauft. Ich wusste, dass er keine emotionale Bindung an das Haus hatte, ich hingegen schon. Er hatte am Ende also seinen finanziellen Gewinn und ich meinen emotionalen Gewinn.
Das Haus, das Jürgen Großmann einen »emotionalen Gewinn« bescherte, trägt eine der teuersten Adressen Deutschlands: Elbchaussee, Hamburg. Entlang dieser sagenumwobenen Straße, die sich vom Stadtteil Ottensen stromabwärts entlang der Elbe bis nach Blankenese erstreckt, liegen prachtvollste Villen und Herrenhäuser in teils großzügigen Parkanlagen. Gleich mehrere Gourmetrestaurants halten die verwöhnten Gaumen der illustren Nachbarschaft bei Laune. Und der Maler Max Liebermann trug zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts mit seinen Ansichten der Umgebung dazu bei, dass der Nimbus von der feinsten Straße Hamburgs aufrechterhalten werden konnte, obwohl inzwischen täglich tausende Autos die Prachtmeile passieren. Übrigens werden selbst die Bewohner der Elbchaussee noch in eine Zweiklassengesellschaft eingeteilt. Auf der »Margarineseite« (also der nördlichen Seite) hört man in den Gärten schon mal den Verkehr brausen. Die »Butterseite« hingegen bietet mehr Stille und eröffnet den Blick aufs Wasser. Von Jürgen Großmanns Anwesen aus lässt sich etwa beobachten, wie in der Ferne große rote Kräne sich unzählige Container greifen und auf Schiffe verladen, die dann zu Zielen in der ganzen Welt aufbrechen. Die Hörner der Containerschiffe harmonieren mit der tiefen, voluminösen Stimme des Hausherrn, der man zutrauen würde, bei einem Ehestreit Wände vibrieren zu lassen. Obwohl die Villa offenbar mehr als Büro und weniger als Wohnhaus dient, spiegelt die warme und geschmackvolle Einrichtung mit moderner Kunst und alten Möbeln die Wertschätzung des Eigentümers für diese Immobilie.
Herr Großmann, würden Sie so weit gehen zu sagen, dass Sie dieses Haus lieben?
Die Liebe ist ja eines der stärksten Gefühle des Menschen. Und zu materiellen Dingen, finde ich, sollte man dieses Gefühl nicht so haben.
Macht Geld eigentlich die Liebe leichter?
Ich glaube, Geld hat mit Liebe überhaupt nichts zu tun.
Aber Sie haben einmal gesagt, dass Ihre Ehe schon so lange funktioniere, weil Sie es sich »nicht langweilig machen«.
Ja, aber das hat ja nichts mit Geld zu tun.
Na ja, wenn das Geld jahrelang immer nur für einen Campingurlaub auf Spiekeroog reicht, ist die Gefahr von Langeweile natürlich etwas größer als bei »schönen Urlauben« mit allem Drum und Dran …
Aber ein »schöner Urlaub«, in dem alles glatt läuft, kann doch auch fürchterlich langweilig sein. Man kommt an irgendeinem Flughafen an, dort steht schon eine Limousine bereit und bringt einen ins Hotel. An der Rezeption braucht man nicht mal mehr anzustehen, weil man seine Eincheckformalitäten auf dem Zimmer erledigen kann. So sieht man keine Leute, ist in einer völlig sterilen Welt. Das ist doch todlangweilig im Vergleich zu einem Urlaub, in dem man sich um etwas bemühen muss. Interessant sind für mich die unerwarteten Dinge.
Wann ist denn ein Urlaub aus Ihrer Sicht gelungen?
Wenn es Auseinandersetzungen mit Unerwartetem gibt. Ich fand es zum Beispiel toll, auf dem Weg nach Tunis oder Istanbul durch den Zug zu laufen und mit den Mitreisenden zu sprechen. Nicht mit einer Reisegruppe unterwegs zu sein, sondern einfach mit der Familie.
Verzichten Sie also bewusst auf bestimmte Annehmlichkeiten, um etwas zu erleben?
Ich fliege zum Beispiel nicht mit dem Privatjet, sondern Linie. Ich glaube, Sie haben ein völlig falsches Bild von mir und schätzen mich völlig falsch ein!
Sie sind immerhin Vorstandsvorsitzender eines DAX-Konzerns …
Ja, gut, aber ich bin da nicht gerade typisch. Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel: Obwohl das Bundeskriminalamt mich in einer der höchsten Gefährdungsklassen einstuft, hatte ich weder im Urlaub noch sonst einen Bodyguard dabei. Nur bei der RWE -Hauptversammlung wurden die Organe der Gesellschaft vom Personenschutz begleitet.
Was war denn das
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