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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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er ihr sagen? Wollte er ihr irgendeine stumpfsinnige Frage dazu stellen, wie ihr Tag so lief? Oder ein ernstes Gespräch anfangen, zum Beispiel darüber, dass er sie fünf Jahre lang betrogen hatte? Ja, so ist es, aber ich glaube, damit könnte es jetzt endlich vorbei sein, mein Schatz, wobei, wahrscheinlich wünsche ich mir dann, dass es nicht so wäre. Nein, nein, da rief er lieber Jacobson an und schob Cathy, die Zwillinge, Rachel und Tony Scruton zurück in die Schublade mit der Aufschrift: »Schwierig: auf später verschieben«.
    Die Fahrt zurück dauerte eine Viertelstunde. Er hatte sich mit Jacobson in Hortons vollgestopftem Büro im zweiten Stock verabredet. Mick Hume war nach wie vor im Krankenhaus, aber wie sich herausstellte, hatte er vorher noch die Aufgabe erledigt, mit der ihn Jacobson am Morgen betraut hatte: aus den Videoaufzeichnungen die besten Standbilder der Art-Gang herauszufiltern, die Horton dann mit seiner Software bearbeiten und in möglichst genaue Porträts umwandeln sollte. Jacobson hatte Horton jedoch in seiner Arbeit unterbrochen (was nicht selten vorkam) und ihm eine neue Aufgabe gestellt: Was er jetzt wollte, war, sich die von Mick Hume ausgesuchten Bilder chronologisch anzusehen.
    Kerr drückte sich genau in dem Moment neben Jacobson ins Zimmer, als Horton anfing, die Bilder der Reihe nach auf den Schirm zu rufen.
    »Ich versuche eine Zeitlinie aufzubauen, Ian«, erklärte Jacobson. »Wir wissen weder wo, noch wann die vier mit ihrer Unternehmung angefangen haben, und wir wissen auch nicht, wo sie sich im Augenblick aufhalten. Dennoch gibt es einiges, das wir wissen.«
    Kerr sah sich die ersten beiden Bilder an: Standbilder von den Kameras in der Verteilstelle der Royal Mail in Watford. Es war jedes Mal dieselbe junge Frau. Trotz der Sonnenbrille und der vorsichtigen Art und Weise, wie sie sich bewegte, als sei sie sich hyperbewusst, dass sie gefilmt wurde, identifizierten Horton, Jacobson und Kerr sie versuchsweise als »Maria«.
    »Die Postfachnummer in Watford wurde am einundzwanzigsten August eingerichtet und seitdem zweimal geleert, am sechsten September und dann noch einmal am vierzehnten«, sagte Jacobson, und seine Augen schweiften zwischen seinem Notizbuch und dem Bildschirm hin und her. »Das bedeutet, wir wissen, dass die Bande mindestens seit August operiert, und können logischerweise daraus schließen, dass einige von ihnen oder auch alle vor weniger als vierzehn Tagen in oder in der Nähe von Watford waren. Und nicht nur das: Laut Emma Smith und Ray Williams stammen die Gründungsdokumente für die falsche PR-Firma, welche die Bande als Referenz für die Anmietung der Wohnung in der Hutfabrik benutzt hat, ebenfalls aus dem August, vom zehnten, einem Donnerstag, um genau zu sein.«
    Er bedeutete Horton, das nächste Bild aufzurufen.
    »Und hier haben wir ›Brady‹, aufgenommen von der Eingangskamera der Hutfabrik. Die Aufnahme stammt von Montag letzter Woche, dem achtzehnten September«, sagte er und zeigte mit dem Finger auf eine zweite Person. »Der Mann neben ihm ist von der Agentur. ›Brady‹ zieht gerade nach Crowby, mit dem weißen Transit, der während der restlichen Woche mehrmals an der Tiefgarageneinfahrt und -ausfahrt der Hutfabrik aufgenommen wird.«
    Kerr sah sich Bradys Gesicht genau an und fragte sich, ob die selbstgefällige Menschenverachtung, die er darauf erkannte, wirklich existierte, oder ob er sie sich nur einbildete, weil er wusste, was Brady für ein Typ sein musste.
    »Das ist das einzige Bild, das von der Eingangskamera aufgenommen wurde, richtig?«, fragte er.
    »Es sieht ganz so aus, alter Junge. Hume glaubt, dass es noch eine Aufnahme von ›Adrian‹ gibt, aber offenbar ist die Qualität zu schlecht, als dass sie uns weiterbringen würde, vor allem, weil ›Adrian‹, oder wer immer es war, das Gesicht mit der Hand verdeckt. Im Übrigen scheinen sie darauf geachtet zu haben, alles per Auto zu machen und das Gebäude immer nur über die Tiefgarage zu betreten oder zu verlassen.«
    Kerr nickte. Wie er sich erinnerte, dienten die Tiefgaragenkameras nur dazu, die Kennzeichen aufzunehmen.
    Steve Horton klickte durch den Rest der Bilder, und Jacobson beschrieb die Ereignisse, die jeweils dazugehörten. Samstagabend: »Brady«, »Maria« und »Annabel« im »Club Zoo« in Crowby. Sonntagabend: »Adrian«, »Maria« und »Annabel« in der Studentenkneipe in Birmingham. Dienstagabend: »Brady« und »Annabel« in der »All Bar One« in Coventry.

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