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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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abgestellt, ihn über die Flure zur Klasse der ausgehfreudigen Lehrerin zu bringen. Die Frau hieß Ruth Sutton und pinselte an einem großen abstrakten Bild herum, das Kerr an die Ausstellungen von Tony Scruton erinnerte, zu denen ihn Rachel immer wieder mitgeschleppt hatte, wobei sie darauf bestand, Scruton sei nur ein Freund und definitiv nicht (oder besser: nicht mehr) ihr Liebhaber. Kerr versuchte den Gedanken zur Seite zu schieben. Wer immer die Schuld daran tragen mochte, dass es mit ihm und Rachel auseinandergegangen war, diese junge Frau war es gewiss nicht. Sutton war so jung, wie Kerr aufgrund ihres Kneipengeschmacks bereits vermutet hatte.
    Er zeigte ihr verschiedene Phantombilder, und Ruth Sutton wiederholte ihre Behauptung, mit »Adrian« gesprochen zu haben. Kerr mochte ihr dunkles Haar, die braunen Augen und die Wölbung ihrer Brüste unter dem farbbeklecksten Männerhemd. Aber a) war sie sogar noch jünger als Rachel, als er sie kennengelernt hatte, b) hatte er gleich für mehrere Leben genug von kunstbeflissenen Frauen, und c) warteten zu Hause Frau und Kinder. Nicht, dass ihn Letzteres bisher von irgendetwas abgehalten hätte, aber er wusste, dass er verdammtes Glück gehabt hatte, nicht erwischt worden zu sein, und war sich nicht sicher, ob er auch weiter bereit wäre, solche Risiken einzugehen. Er bat Ruth Sutton, ihm etwas ausführlicher zu erzählen, was sie dem Kollegen der Hotline bereits mitgeteilt habe.
    »Ich stand an der Theke, wo es so voll wie immer war, und versuchte eine Runde zu bestellen«, sagte sie, »da fing dieser Typ an, sich einzuschleimen, wollte mir helfen, dass ich bedient würde, und so weiter.«
    Kerr studierte sein Notizbuch. »Das war ungefähr gegen Mitternacht?«
    »Ich denke schon. Meine Freunde und ich waren gerade aus Crowby gekommen, und ich glaube nicht, dass wir sehr viel früher da waren.«
    »Sie denken, er wollte sie aufreißen?«
    »So ähnlich. Wobei ich nicht glaube, dass es ihm allzu ernst damit war. Der Typ war eher auf Autopilot geschaltet. Oh, sieh mal, die netten Titten, da tu ich besser was.«
    Kerr war nicht sicher, ob er lächeln sollte oder nicht, also ließ er es.
    »Sie nehmen an, sagten Sie, dass er allein war?«
    »Den Eindruck hatte ich. Ich sah ihn noch ein paarmal, nachdem ich wieder bei meinen Freunden war, und er stand immer noch an genau derselben Stelle an der Theke und nuckelte an seinem Glas. Das jagt mir jetzt wirklich einen Schauer über den Rücken, ich meine, was, wenn?«
    Kerr nickte.
    »Er hat sich nicht irgendwie vorgestellt, gesagt, wer er sei und woher er komme, oder so?«
    »Nein, er hat nicht mal seinen Namen genannt oder nach meinem gefragt. Das meine ich damit, dass es ihm wahrscheinlich nicht ernst war. Und er war auch nicht von hier. Ich kenne die Tonfälle der Gegend mittlerweile ziemlich gut. Abgesehen davon, dass er mir meine Getränke besorgen wollte, der Trottel, fragte er nur immer wieder, wie es mit Live-Musik in der Kneipe wäre. Samstags haben die übrigens einen DJ.«
    Kerr musste wieder an Punkt a) denken: Ganz eindeutig wurde von ihm nicht mehr erwartet, dass er in seinem fortgeschrittenen Alter über solche Dinge Bescheid wusste.
    »Wie es damit wäre ?«, wiederholte er.
    »Ja. Ob man die Bühne und die Bands gut sehen könne und so Sachen. Eher merkwürdig, nicht unbedingt ein Superthema zum Anmachen.«
    Die Pausenklingel schallte über den Korridor. Noch nach all den Jahren ging ihm der Klang durch Mark und Bein und ließ ihn sich weit weg wünschen. Er fragte sie, ob sie gesehen habe, wann der Kerl gegangen sei, aber sie sagte, da sei sie nicht sicher. Sie habe ihn bestimmt noch vor eins wieder vergessen und dann auch nicht mehr gesehen. Erst gestern Abend bei den Nachrichten, da sei er ihr wieder eingefallen.
    »Auf jeden Fall vielen Dank«, sagte Kerr. »An was Sie sich da erinnern, ist durchaus hilfreich.«
    »Aber Sie müssen immer noch herausfinden, wo die jetzt sind«, wandte sie ein, räumte die Pinsel weg und schien sich auf den Ansturm der nächsten Klasse vorzubereiten.
    »Ich fürchte, da haben Sie recht, aber je mehr Hilfe wir aus der Öffentlichkeit bekommen, desto besser«, sagte er lahm und dachte, dass es manchmal schwerer war, sich nicht an jemanden heranzumachen, als umgekehrt.
    Als er wieder in seinem Auto saß, überprüfte er sein Handy auf Nachrichten: nichts. Er überlegte, ob er Cathy anrufen sollte, die gleich losmusste, um die Zwillinge aus der Schule zu holen. Aber was wollte

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