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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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Professor hält es für gerade noch operabel. Es ist offen gesagt Glücksache, ob Mr Harrison durchkommt.«
    »Ein Hämatom? Sie meinen so was wie einen Blutklumpen im Gehirn?«, fragte Hume.
    Wie alle, die schon ein paar Jahre im Morddezernat arbeiteten, kannte er das gängige medizinische Vokabular für lebensbedrohliche Verletzungen, die einem von Hand, mit Füßen oder einer Waffe zugefügt werden konnten.
    »Technisch gesprochen ist es ein Gerinnsel zwischen dem Schädel und der Dura Mater. Theoretisch und statistisch ist das nicht so gefährlich wie ein subdurales Gerinnsel, also eines unterhalb der harten Hirnhaut. In diesem Fall allerdings . . .«
    Statt seinen Satz zu beenden, blätterte der Arzt konzentriert durch einen Stapel Röntgenaufnahmen, die er mitgebracht hatte.
    Hume machte ein zerknirschtes Gesicht, er wusste, was der normale Laie nicht gewusst hätte: dass es zwischen dem Gehirn und der Schädeldecke eine dicke ledrige Schicht gab, die »Dura« genannt wurde. Sie diente zum Teil dazu, das Gehirn zu schützen, zum Teil versorgte sie es mit Blut und Spinalflüssigkeit. Wenn nun aber jemand kräftig genug auf den Kopf geschlagen wurde, konnte das Gehirn so stark gegen die Schädelwand prallen, dass einige der Adern um die Hirnhaut rissen. Unbehandelt wurde das Opfer dann während der nächsten Stunden immer wieder bewusstlos, und irgendwann war die Ansammlung von Blut an einer Stelle, wo keines sein sollte, zu groß und führte zu einem tödlichen Anschwellen des Gehirns.
    Der Arzt hängte eine Röntgenaufnahme vor einen dieser Lichtkästen, die Hume schon Hunderte Male gesehen hatte, ohne zu wissen, wie man die Dinger eigentlich nannte. Dagegen war der Name des Arztes deutlich auf dem kleinen Schildchen an seinem Revers zu lesen: »J. E. Macpherson«, auch wenn sein nervender Südost-Akzent darauf hindeutete, dass er das Land seiner Vorfahren schon lange nicht mehr besucht hatte, sollte er denn überhaupt je da gewesen sein.
    »Es gibt noch andere Probleme«, sagte Macpherson. »Der Professor meint, es gebe bereits Anzeichen für eine Hirnquetschung, und ganz abgesehen von den Sorgen um das Gehirn war der Körper des Patienten stark unterkühlt. Wir haben es mit einem kräftigen Mann zu tun. Stark, mit einem guten Herzen und einer guten Lunge. Dennoch . . .«
    Er richtete einen Lichtstift auf das Röntgenbild und umfuhr die Bereiche, auf die es ihm ankam, mit einem roten Leuchtpunkt.
    »Die Aufnahme stammt aus der Tomografie. Das Problem liegt hier, in diesem hochdichten Bereich.«
    Hume tat so, als studierte er die Aufnahme genau, dabei waren ihm diese Einzelheiten nicht so wichtig, sondern das mögliche Ergebnis.
    »Sie operieren ihn also bald?«
    »Sobald das Team bereit ist«, antwortete Macpherson und klopfte auf den Beeper, der an seiner Kitteltasche hing.
    »Und er ist noch immer ohne Bewusstsein?«
    »Ja, vollkommen. Noch etwa eine Stunde da draußen im Wald, und er wäre ein Fall für die Pathologie gewesen, nicht für uns.«
    Hume fragte ihn nach der äußeren Schädelverletzung. Macpherson tauschte die Aufnahme gegen eine andere aus und setzte erneut seinen Leuchtstift ein.
    »Die ist begrenzt, wie Sie sehen. Das Objekt, mit dem der Schlag ausgeführt wurde, war nicht groß, zumindest nicht der Teil, der auf den Schädel traf.«
    »Sie können also nicht sagen, was genau . . .«
    »Das gehört eindeutig nicht in unser Fach, fürchte ich. Wenn er es nicht durchsteht, wird Ihnen die Pathologie da mehr sagen können.«
    Na toll, Kumpel, dachte Hume, wir reden hier ja auch nur über ein Menschenleben. Aber dieser Macpherson machte auch nur seinen Job und musste seine Gefühle wahrscheinlich an der Krankenhaustür abgeben, wenn er hier drinnen von Nutzen sein wollte, und es gab reichlich Polizisten, die ihn an Abgebrühtheit und Kaltschnäuzigkeit sicher noch weit in den Schatten stellten. An einem schlechten Tag, das wusste Hume, konnte er da selbst durchaus mithalten.
     
    January konnte nicht aufhören zu weinen. Sie weinte stumm und voller Angst, sie könne ein zu lautes Geräusch machen. Sie hasste sich dafür, aber dieser Hass reichte nicht aus, die Tränen versiegen zu lassen. Niemand hatte sie je geschlagen. Nicht mal als Kind. Ganz sicher nicht ihr Dad oder ihre Mum. Sicher auch kein anderer Erwachsener, und sie konnte sich auch an keinen Vorfall auf einem Spielplatz erinnern, wenigstens keinen, der ernst genug gewesen wäre, um sich ihr ins Gedächtnis einzugraben. Ihr ganzes

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