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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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ohne jemanden direkt anzusprechen. »Soll die Natur doch ihren Lauf nehmen. Im direkten Kontakt mit Mutter Erde. Das ist die ehrliche Art. Fleisch und Dreck. Schmutz zu Schmutz.«
    Er beugte sich zu ihr, kam ihr ganz nahe, und auch Adrian kam mit der Kamera an sie heran.
    »Die Sache ist die, Tracey. Ich werde dir jetzt den Kopf zuschaufeln. Mit Erde und Würmern, so wie ich das sehe, und du wirst ersticken und sterben, fürchte ich. Also, mein hübsches Kind, gibt’s noch ein paar große letzte Worte für die Kamera?«
    Tracey hatte ein letztes Mal aufbegehrt, hatte versucht, die Füße zu bewegen, den Rücken durchzudrücken, um irgendwie genug Kraft zu entwickeln. Aber nichts. Rein gar nichts. Sie hatte ihm direkt ins Gesicht geblickt, das scheußlich kalt im blassen Mondlicht schimmerte. Sie war jetzt absolut hoffnungslos, fühlte, was dieses Wort wirklich bedeutete.
    »Meine Mum«, sagte sie leise, sie flüsterte fast. »Sag meiner Mum, dass ich sie liebe.«
     

7
    Sie überließen Tracey Heald der Obhut von Carole Briggs, die sie nach Hause fahren und mit ihrer Mutter reden sollte. Tracey brauchte jemanden, der sich um sie kümmerte. Sie würden sehen, was sich arrangieren ließ. Naylor hatte Tracey ein Beruhigungsmittel angeboten, aber sie hatte es abgelehnt. Sie wolle nicht verdrängen, was ihr passiert sei, sagte sie. Sie werde sich dem stellen, damit umgehen lernen und kein gottverdammter Zombie werden. Eine tapfere Frau, dachte Emma. Oder vielleicht auch einfach nur unbesonnen.
    Sie fuhren zur Hutfabrik, mit einem zivilen Astra, und parkten ein Stück die Straße hinunter auf der gegenüberliegenden Seite. Von dort konnte man in den Haupteingang hineinsehen und hatte Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage im Blick. Sie warteten auf zwei Streifenwagen mit je zwei uniformierten Kollegen. Zur Rückendeckung. Darüber hinaus erwarteten sie einen Anruf aus dem Wachraum, der ihnen den Sicherheitscode des Notausgangs geben sollte, damit sie keinen der Hausbewohner aufscheuchen mussten.
    DC Williams saß auf dem Beifahrersitz, fummelte an seinem Handy herum und wartete nervös darauf, dass es endlich klingelte.
    »Da kommen die Kollegen«, sagte er, als er den ersten Streifenwagen im Seitenspiegel auftauchen sah.
    Emma Smith ließ die Rücklichter aufleuchten und verfolgte, wie der Wagen langsam hinter sie rollte. Eine Minute verging, dann noch eine und noch eine. Niemand betrat das Gebäude oder verließ es. Endlich kam auch der zweite Streifenwagen, und im gleichen Augenblick klingelte Williams’ Handy. Er wiederholte den Code laut, sodass sie ihn sich beide merken konnten.
    Zwei der Uniformierten blieben, wo sie waren: bereit, in die Geschehnisse einzugreifen, sollte es nötig werden. Die anderen beiden folgten Willliams und Smith zu der breiten steinernen Treppe, die ehedem, in viktorianischen Zeiten, ins Büro der Hutfabrik geführt hatte. Sie nahmen den Aufzug, statt zu laufen, und wunderten sich, wie eng es darin war, befanden sie sich doch in einem »Luxusobjekt«. Einer der uniformierten Kollegen war gut 1,90 Meter groß und musste gehörig den Kopf einziehen, um in die Kabine zu passen. Im obersten Stock schien es nur drei Wohnungen zu geben. Zweiunddreißig, dreiunddreißig und die, die sie interessierte: Nummer vierunddreißig. Der große Polizist sondierte zunächst das Terrain. Neben den Aufzügen und der Treppe, die im Brandfall auch als Fluchtweg diente, gab es keinen weiteren Weg nach unten. An der Tür war weder eine Klingel noch ein Klopfer. Die meisten Besucher erhielten wahrscheinlich über die Sprechanlage Zutritt, und das hier war ganz sicher kein Haus, wo man sich vom Nachbarn ein Ei oder etwas Zucker auslieh. Es gab einen Spion in der Tür, als zusätzliches Sicherheitselement, und Williams und die beiden Streifenbeamten hielten sich seitlich und ließen Emma allein im Blickfeld zurück. Eine Frau allein wirkte auf den ersten Blick weniger bedrohlich, weniger verdächtig und längst nicht so offiziell. Emma klopfte kräftig. Und gleich noch einmal. Und ein drittes Mal. Keine Antwort. Auch durch den Briefschlitz war nichts zu sehen, nur eine weitere geschlossene Tür. Emma versuchte es noch ein viertes Mal und rief dann in den Briefschlitz.
    »Polizei, wir müssen Sie sprechen.«
    Schweigen. Bis sich die Tür von Nummer zweiunddreißig hinter ihnen öffnete. Ein Mann in den Dreißigern mit einer Kaffeetasse in der Hand und einem schreiend bunten Sonntagsbademantel, der zwei Knie mit dürren

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