Gleich bist du tot
Alternativen, alter Junge. Der zweite Uniformierte wurde gebraucht, um die Wohnung zu bewachen, bis die Spurensicherung kam und die Tür repariert wurde. Die beiden Kollegen unten im zweiten Streifenwagen konnten fürs Erste wieder ihren gewohnten Pflichten nachkommen, solange keine Verhaftungen oder andere Unternehmungen anstanden. Alles andere lag beim CID, viel zu viel, und das meiste davon verlangte nach der Genehmigung durch eine Ebene, die weit über dem Rang eines Detective Constables lag. Was bedeutete, dass sie DS Kerr jetzt doch seinen Sonntagmorgen verderben mussten.
8
Eine Stunde später steuerte Detective Sergeant Ian Kerr auf den Parkplatz am Fuß von Crow Hill und parkte neben einem Streifenwagen und dem Bus der Spurensicherung. Er stellte den Motor ab und rief mit dem Handy einen der Uniformierten oben am Tatort, damit der ihn abholte. Er musste nicht lange warten, aber immerhin lange genug, um verfolgen zu können, wie ein völlig hektisches Eichhörnchen vergeblich in eine Mülltonne mit Deckel zu gelangen versuchte, schließlich aufgab und den nächsten Baum hinaufschoss. Der Beamte führte ihn zwischen den Bäumen hindurch zu der Stelle, wo die Spurensicherung arbeitete, blieb dann selbst jedoch zurück. Vorher gab er Kerr noch die übliche Schutzkleidung für Spurensicherer: einen weißen Plastikoverall und blaue Überzieher für die Schuhe.
Die äußere Absperrung des Tatorts mit Polizeiband reichte bis zum Parkplatz, im Moment konzentrierte sich die Spurensicherung allerdings noch auf den inneren Bereich, der im Durchmesser kaum zehn Meter maß. Im Frühling war hier bei einem plötzlichen Gewitter eine Eiche vom Blitz getroffen worden und hatte eine kleine Lichtung hinterlassen, die bis heute nur zum Teil von Dornsträuchern und einer Stechpalme zurückerobert worden war. In der Mitte der Lichtung befand sich ein sauber ausgestochenes Rechteck mit frischer Erde, die von zwei Beamten Zentimeter für Zentimeter, zumindest schien es so, durchsucht wurde. Ein dritter sah ihnen zu. Kerr näherte sich den Männern vorsichtig, immer darauf bedacht, nicht neben die Laufbretter zu treten. Er war leicht überrascht, als sich herausstellte, dass der offenbar in Selbstgespräche versunkene dritte Mann kein anderer als Jim Webster war, der Crime Scene Manager oder Chef der Spurensicherung, je nachdem, welche der beiden offiziellen Bezeichnungen man bevorzugte. Für gewöhnlich brauchte es schon einen Mord, und zwar einen möglichst komplizierten, um Webster, wenn er nicht gerade Bereitschaft hatte, an einem Wochenende wie diesem von seiner Familie fortzulocken. Bei Kerr war es eher das genaue Gegenteil. Vielleicht hatte der Kollege, der Webster angerufen hatte, ja geglaubt, es mit einem besonders schwierigen Fall zu tun zu haben. Einem, bei dem man besser alle Register zog.
Kerr stellte ihm die naheliegende Frage: »Habt ihr schon was gefunden, Jim?«
Webster schaltete das kleine Diktafon aus, das er seit einiger Zeit vor Ort immer benutzte. Es schien ihm zu gefallen, sofort ein paar Notizen auf Band zu sprechen, um sie dann später ausformuliert zu Papier bringen zu können. Es ging das wenig freundliche Gerücht um, dass er die Idee dazu aus einer Fernsehserie habe. Was ein Beispiel dafür wäre, wie das Leben die Kunst nachahmte. Oder wenigstens ›Channel Five‹.
»Nun, da ist eine grabähnliche Vertiefung ausgehoben worden, und wir stoßen auf menschliche Haare und wahrscheinlich auch Hautfetzen. Wir können also womöglich nachweisen, dass diese junge Frau hier war. Ob wir auch Hinweise auf die Täter finden, steht im Moment noch auf einem anderen Blatt.«
»Keine Spur von ihren Kleidern?«
»Bis jetzt noch nicht. Wir denken allerdings, dass wir die Stelle gefunden haben, wo sie nach Aussage des Opfers das Auto geparkt hatten. Die andere Hälfte meiner Leute ist gerade dort. Es gibt ein paar Vertiefungen im Boden, aber wir müssen erst noch sehen, ob sich eine taugliche Reifenspur finden lässt. Nur, wer kann dann schon sagen, dass sie vom richtigen Auto stammt?«
Jemand wie ich, Jim, dachte Kerr. Jemand, der die Einzelteile des Puzzles zusammenfügen muss. Jemand, der sich das entstandene Bild am Ende ansieht. Sie verließen sich tagtäglich auf Webster, seine Leute und die Spezialisten im Labor, mit denen sie zusammenarbeiteten, wobei Kerr die Spurensicherer und Laborfreaks keine Minute um ihren Job beneidete. Sie konzentrierten sich voll auf die Einzelheiten, hatten den Fall aber nie
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