Gleich bist du tot
Angeln, der vierte verschaffte ihnen den gewünschten Zugang.
Williams bat den großen, selbstzufrieden dreinblickenden Beamten, die Tür zu bewachen. Vorläufig war die Wohnung Nummer vierunddreißig ein potenzieller Tatort und von keinem Unbefugten zu betreten. Den zweiten Uniformierten bat er, die Tiefgarage in Augenschein zu nehmen und nachzusehen, ob es irgendwelche Fahrzeuge gab, die zu Tracey Healds Beschreibung passten: Es musste eine Limousine sein, ein schwarzer BMW, und die letzten drei Buchstaben des Kennzeichens lauteten womöglich »SGN«. Emma Smith beruhigte die Umstehenden. Die Polizei werde die Tür reparieren lassen, aber sie ermittelten in einer schwerwiegenden Sache, wobei kein Grund zur Sorge bestehe. Sie verteilte zwei ihrer Karten. Falls sich später doch noch jemand an etwas erinnerte, an etwas Ungewöhnliches während der letzten Nacht oder der letzten Tage, solle er die Nummer darauf anrufen. Jederzeit.
Die Wohnung, in die sie kamen, sah ordentlich aus, unberührt. Unbewohnt . Leere Schränke, unbezogene Betten, zwei luxuriöse, verlassene Bäder, beide ohne Handtücher oder Toilettenartikel. Keine Lebensmittel, keine Getränke, auch die Designerküche war absolut leer.
»Das ist ja wie auf der verdammten ›Marie Celeste‹«, meinte Williams.
Emma Smith korrigierte ihn. Es war gerade nicht wie auf der ›Marie Celeste‹: Es gab keine halb vollen Teller, kein ungespültes Geschirr, keinerlei Spuren eines überhasteten Aufbruchs – dafür aber einen Plasmafernseher, genau wie ihn Tracey Heald beschrieben hatte. Von der Videoausrüstung, die daran angeschlossen gewesen sein sollte, war allerdings nichts zu entdecken, genauso wenig, wie es sonst etwas Persönliches gab, das man an einem bewohnten Ort erwarten würde. Keine CDs, keine Bücher, keine Zeitungen, keine Kleidung. Die Wohnung sah exakt so aus, wie die Nachbarn gesagt hatten: Es war ein teilmöbliertes, vermietbares Apartment, das seit Wochen leer stand.
Williams hob die Post zwischen der Wohnungstür und der inneren Flurtür auf, über die er beim Hereinkommen gestiegen war. Wurfsendungen, Betriebskostenabrechnungen, Bettelbriefe verschiedener Wohltätigkeitsorganisationen, die an die »Bewohner des Hauses« gerichtet waren und an B. S. Marshall, den früheren Mieter, der mittlerweile auf der anderen Seite des Planeten lebte.
»Du glaubst doch nicht, dass sie sich einfach in der Adresse geirrt hat, Emma? Oder der Wohnungsnummer?«
Sie standen im großen Wohnzimmer. Die späte Septembersonne fiel durch das wandhohe Fenster und vermittelte einen falschen, warmen Eindruck vom hellen, kalten Morgen draußen. DC Smith schüttelte den Kopf.
»Es macht durchaus Sinn, dass hier keiner ist, nach dem, was hier vorgefallen sein soll. Und die Nachbarn, nun, in einem Haus wie diesem, da kannst du monatelang leben, ohne zu wissen, wer nebenan wohnt, oder ob da überhaupt einer wohnt.«
Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen. Das Problem bestand darin, dass alles so ordentlich und sauber war. Wer immer hier zuletzt gewohnt hatte, hatte sich vor seinem Auszug unglaubliche Mühe gegeben, alles in tadellosen Zustand zu bringen. Vielleicht kam ja regelmäßig eine Putzfirma her. An den Wänden hingen gerahmte Kunstdrucke, dazu gab es ein paar geschmackvolle, aber unpersönliche Fotografien, offenbar mit Bedacht ausgewählt. Nichts hier würde jemandem, der jünger als hundertfünfzig war, anstößig erscheinen. Alles war so neutral gehalten, wie es einem im Fernsehen empfohlen wurde, wenn man sein Eigentum vermieten wollte. Emma trat an das lange, weiße Sofa und suchte nach Falten, einem Weinfleck, nach irgendetwas, das womöglich erst kürzlich entstanden war. Nichts. Zumindest nichts, was mit bloßem Auge zu entdecken gewesen wäre. Das war ein Fall für die Spurensicherung.
Das Handy von DC Williams klingelte. Der Beamte unten in der Tiefgarage hatte ein halbes Dutzend BMWs entdeckt. Auf drei von ihnen mochte Traceys Beschreibung passen, allerdings hatte keiner Kratzspuren an der Seite und ein Kennzeichen mit den Buchstaben »SGN«. Williams fragte sich, was Chief Inspector Jacobson oder Detective Sergeant Kerr jetzt tun würden. Die Antwort: Sag dem Streifenpolizisten, er soll die Besitzer ermitteln und überprüfen, wo die Wagen während der letzten vierundzwanzig Stunden waren. Das klang nicht gerade vielversprechend, aber wie sagte Jacobson doch immer: Vier Fünftel der Identifizierung bestehen im Ausschließen von
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