Gleich bist du tot
zusammengeschnitten, dass man die arme, kleine Tracey gerade noch Schampus schlürfen und Bradys gut aussehendes Gesicht anhimmeln sah, und eine Sekunde später schon schrie sie Zeter und Mordio. Trat und schlug um sich und erreichte nichts damit. Konnte sich nicht retten.
Annabel sagte, sie wolle einen Joint, und Brady befahl Maria, einen zu drehen, und zwar flott. Auf dem Bildschirm waren sie im Wald angekommen: Annabel schubste Tracey aus dem Wagen, und die versuchte davonzulaufen, was völlig hoffnungslos war. Annabel gab ihrer Neigung nach, böse Mädchen zu schlagen, als sie ihr Opfer wieder eingefangen hatten. Richtiges Mondlicht schien jetzt zwischen den Bäumen durch. Man sah einen wolkenlosen, klaren Himmel voller Sterne. Die Schlussszene näherte sich: Brady war ganz in seinem Element (selbst Adrian konzedierte das), beugte sich über die Kleine in ihrem Grab und schickte sie tief hinein ins Reich des Schreckens, brach sie, ließ sie bitten und betteln und ihm alles versprechen, wenn er sie nur ein paar Minuten länger am Leben ließe. Das war es, was ein Mensch am Ende nur noch war: ein Stück Scheiße, das nicht sterben wollte.
Brady und Annabel applaudierten, als der Film zu Ende war. Maria war gerade mit ihrem Joint fertig, steckte ihn an und hielt ihn Brady hin, der den Kopf schüttelte und sagte, sie solle ihn gleich Annabel geben. Adrian zog das Computerkabel aus dem Fernseher und drückte den Aus-Knopf. Sie hatten sich für heute Abend auf sieben Uhr geeinigt, das heißt, Brady hatte sieben Uhr vorgeschlagen, und keiner hatte ihm widersprochen. Sonntags machten die Neun-bis-fünf-Arbeitsbienen ihre letzten freien Schnaufer, hatte Brady gesagt, und die Clubs und Bars würden früher voll und auch früher schließen. Es war schon fast fünf, und Adrian wollte noch eine Stunde ausruhen, bevor es losging. Besonders, weil der andere Punkt, auf den sie sich »geeinigt« hatten, darin bestand, dass das heute keine Brady-Veranstaltung würde, sondern dass Adrian die Hauptrolle übernehmen sollte. Als der Computer ganz heruntergefahren war, klappte er ihn zusammen und verabschiedete sich bis später. Brady nickte ihm kurz zu, ganz der Monarch, der den sich zurückziehenden Höfling verabschiedet.
Adrian ging kurz ins luxuriöse Bad, um zu pinkeln, und legte sich dann hin. Vorher stellte er noch den Wecker seiner Armbanduhr auf exakt sechzig Minuten später. Er hatte sich das hintere Schlafzimmer ausgesucht. Es war der kleinste Raum und hatte keinen so tollen Blick wie die anderen Zimmer, aber Adrian gefiel die Tatsache, dass es ein Stück vom großen Schlafzimmer entfernt lag, das Brady natürlich in Beschlag genommen hatte. So musste er den Soundtrack Bradys nächtlicher Vergnügungen mit Annabel und/oder Maria nicht mit anhören. Genau zehn Sekunden bevor der Wecker klingelte, wachte er auf und war stolz auf seine offenbar angeborene Fähigkeit, aus reiner Willenskraft in Schlaf zu fallen und auch rechtzeitig wieder daraus zu erwachen. Er duschte, rasierte sich und zog eine ordentliche Jeans und eins der schicken neuen Hemden an, die Maria bei ihrem letzten Einkaufsausflug für ihn ausgesucht hatte. Wie gewohnt waren sie mit einem halben Dutzend Magha -Kreditkarten unterwegs gewesen.
Maria erwartete ihn im Wohnzimmer. Sie war endlich richtig angezogen, wobei die enge Lederhose und das tittenbetonende Leopardentop sicher Bradys und nicht ihre Wahl waren, und sie hatte auch die Verfeinerungen für den Abend schon an sich vorgenommen. Die blonde Perücke bildete dabei den zentralen Akzent. Maria hatte die Londoner Modeschule absolviert, mit einem BA in speziellem Make-up-Design, und bereits in der Industrie gearbeitet. Sie hatte ein besonderes Gespür für Haarfarben und Frisuren sowie kleine, aber wirkungsvolle Änderungen des Teints. Eher selten griff sie zu prothetischen Mitteln, die zum Beispiel die Nasenform veränderten und einem einen Makel gaben, den man eigentlich nicht hatte. In seinem und Bradys Fall kamen die schier endlosen Variationen zwischen rasiert und unrasiert hinzu: Kinnbärte, Koteletten, Schnauzer . . .
Adrian setzte sich an den großen Tisch, auf dem der Laptop zur Seite geschoben worden war, vorsichtig, wie er hoffte, und ließ die Gedanken schweifen, während sich Maria an die Arbeit machte. Was sie sehr schnell begriffen hatten, war, dass man nichts gegen die Überwachung tun oder ihr gar entkommen konnte, stattdessen musste man sie für die eigenen Zwecke einsetzen. Wer im
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