Gleich bist du tot
Schlagzeugsalven und Gitarrenläufe hinaus in die einbrechende Dunkelheit schallen. Die Kanalgegend, und noch mehr die nahe Broad Street, bildeten das eigentliche Zentrum des Birminghamer Nachtlebens, volle Bars, Clubs und Restaurants reihten sich dort aneinander. Das Problem war, das unglaublich viele Überwachungskameras mit dem Betrieb dort Einzug gehalten hatten. Selbst wenn man professionelle Vorsichtsmaßnahmen ergriff, was sie taten, musste man sich darüber im Klaren sein, dass man ein Restrisiko auf sich nahm, dem man jedoch vernünftige Grenzen setzen konnte und musste. Und das »Walkabout«, das »Ipanema«, das »Revolution« und all die anderen Läden dort lagen eindeutig jenseits der Vernunftsgrenze, wenn man dem illegalen Geschäft von Entführung, Erniedrigung und Terror nachging.
Annabel parkte den Wagen zwei Straßen weiter vor einer Reihe rot geklinkerter Reihenhäuser. Bevor sie ausstieg, probierte sie endlich den Joint, den ihr Maria auf ihr ganz in Bradys Ton gehaltenes Geheiß gedreht hatte, als sie noch in der falschen Richtung die Hagley Road hinunterfuhr und Mühe hatte, eine Lücke im Verkehr zu finden, um eine 180-Grad-Wende vollführen zu können. Maria hatte eine milde Mischung genommen, da Brady ihnen vor und während des Aufrisses alles Harte verboten hatte. Adrian ging voraus auf die große Straße und steuerte den Pub an. Ohne Eile. Aber auch nicht zu lahm, da ihn der Koks immer noch antrieb. Die Band hatte mittlerweile ihr Programm angefangen und spielte eine Art White-Stripes-Verschnitt mit voll aufgedrehtem Verstärker. Sie gingen in den Nebenraum, wo man sich unterhalten und leicht Blickkontakt mit anderen Gästen aufnehmen konnte. Adrian holte die Getränke an der langen Theke aus Mahagoni und Messing, die nichts Nachgemachtes hatte, und Annabel und Maria besetzten einen der wenigen Tische, die nicht von lauten Studenten und ebenso lauten Ex-Studenten eingenommen waren. Hier war niemand viel älter als fünfundzwanzig und ohne frühere oder aktuelle Verbindung zum akademischen Bildungssystem. Brady war ein wahres Chamäleon, das in jeder Strömung mitschwamm, aber Adrian vermochte seine Fähigkeiten nur dann optimal auszuspielen, wenn er sich in einer Umgebung bewegte, die er verstand. Es war nur vernünftig, alles auf Erfolg zu programmieren und das Risiko zu minimieren.
Für sich selbst bestellte er ein Pint Pedigree, sein Lieblingsgetränk aus Studentenzeiten, für Annabel und Maria Mojitos. Vorsichtig schob er sich durch die Schar von Leuten und stellte die Getränke auf den Tisch. Annabel fragte ihn, ob er eine Zigarette wolle, und zündete sie ihm mit einem ungewöhnlich billig aussehenden Feuerzeug an. Adrian hielt die Zigarette in der linken Hand, er war Linkshänder, genau wie Brady. Das war eine komische Gemeinsamkeit zwischen den beiden, ein zufälliger statistischer Ausreißer. Wir sind die Linkshänder-Connection, hatte Brady einmal in einem seiner seltenen Anfälle von guter Laune gewitzelt. Adrian rauchte, nippte an seinem Bier und studierte die weiblichen Gäste, wobei er so tat, als sehe er sich ganz allgemein und wie nebenhin im Raum um.
Der Koks half ihm, trotzdem fiel ihm die Sache nicht leicht. Er wusste, dass Brady ihm die Aufgabe als Herausforderung gestellt hatte, als einen weiteren Test seiner Nützlichkeit. Die einzige Möglichkeit bestand darin, dachte er, sich so zu verhalten, als wäre er Brady. Die Situation genau so anzugehen, wie Brady es tun würde. Adrian hatte immer angenommen, dass Bradys Hauptinteresse im Endergebnis einer Entführung lag, in der Verfassung und der Position, in die er die Frauen am Ende brachte. Und Maria und Annabel sahen es womöglich genauso, wobei die beiden für ihn immer noch unergründlich waren, geheimnisvoll und nicht zu erklären. Aber heute beim Frühstück hatte Brady eine Bemerkung dazu fallen lassen, dass auch der Anfang ein ganz besonderer Moment für ihn sei, der Augenblick, in dem er seine Wahl treffe, den Richter spiele, ja, Gott. Adrian wandte sich wieder seinen zwei Begleiterinnen zu und fing ein Gespräch an, das er vorher für sich bereits eingeübt hatte: wie es mit seinem Job lief, wie es alten, frei erfundenen Freunden ging und wie sehr er sich wünschte, sie würden alle noch einmal ihre unbeschwerten Studententage durchleben können, in denen man morgens mal hier, mal da aufgewacht war. Es schien so, als interessierte ihn der Rest der Kneipe nicht. Aber insgeheim beobachtete er seine beiden
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