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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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Hauptkandidatinnen und versuchte sie auf genau die Weise einzuschätzen, wie er wusste, dass Brady es tun würde. Die äußeren Umstände waren in beiden Fällen gleich, nahezu klassisch: Beide waren in Begleitung einer Freundin und des Freundes der Freundin, die wie Anstandswauwaus wirkten. Beide sahen aus, als fühlten sie sich außen vor. Und aussehen taten sie auch ungefähr gleich gut. Da fiel die Wahl eher schwer, aber Adrian würde sich entscheiden. Er wollte ihnen ein paar Minuten geben, bevor er sie noch einmal neu bewertete und sein Urteil fällte. Als direkte Folge seiner Entscheidung würde eine der beiden später nach Hause gehen und tief und ungestört schlafen, während die andere es noch lange, lange bereuen sollte, heute Abend hergekommen zu sein. Vielleicht ihr ganzes Leben lang. Er nahm einen nervösen Zug und noch einen schnellen Schluck. Eene, meene, muh. Die Entscheidung liegt ganz bei dir, Kumpel. Ganz bei dir.
     

10
    Detective Chief Inspector Jacobson überquerte die Fußgängerbrücke, die auf den Parkplatz hinter dem Bahnhof Crowby führte. Die hübsche blonde Frau neben ihm sah aus, als bräuchte sie fünfzehn Jahre, um mit ihm altersmäßig gleichzuziehen, obwohl es tatsächlich nur etwa zehn waren. Zwischendurch sah Jacobson sie immer wieder an, einfach aus Freude an ihrem Anblick. Beide hatten eine Reisetasche dabei. Jacobson hatte angeboten, Alison Taylors Tasche ebenfalls zu tragen, aber sie hatte ihm versichert, das könne sie selbst, die Tasche sei wirklich nicht schwer. Vielleicht nicht, hatte er geantwortet, aber da seien ja auch noch ihre Einkäufe. Darauf lächelte sie, gab nach und trat eine ihrer großen Printemps-Tragetaschen an ihn ab.
    Auf dem Parkplatz war es ruhig, weniger als ein Dutzend Autos standen dort. Sie waren mit dem Eurostar an der Victoria Station angekommen und hatten gerade noch den Zug um 21.36 Uhr ab Euston erreicht, den letzten Richtung Crowby an einem Sonntagabend. Mittlerweile war es kurz vor Mitternacht. Als sie zu Jacobsons Wagen kamen, schloss er den Kofferraum auf und nahm ihr endlich auch die Tasche ab.
    »Zu dir oder zu mir?«, fragte er und hielt die Beifahrertür für sie auf.
    Das war mehr ein Witz. Im Prinzip wohnten sie bei Alison und nicht bei Jacobson. Ihre Wohnung war auf jeden Fall bequemer und weit weniger spartanisch eingerichtet.
    »Bei mir gibt’s mehr Sexspielzeuge«, sagte sie und stieg ein.
    »Dann will ich mich fügen«, sagte Jacobson und gab sich alle Mühe, ernst zu bleiben, schaffte es aber nicht ganz. Noch ein Endloswitz: der andauernde Wettbewerb, wer von beiden sich am ungehobeltsten und vulgärsten ausdrücken konnte. Jacobson gab sich alle Mühe, aber Alison behielt fast immer die Oberhand. Sie sah zu, wie er sein Handy aus der Tasche fingerte, statt den Motor anzulassen.
    »Du hast dienstfrei, Frank, das ganze Wochenende«, sagte sie und legte ihm die Hand auf den Arm. »Das heißt, bis morgen früh, oder?«
    Er sah sie an, und sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
    »Okay, du hast recht. Soll sich Greg Salter alleine den Kopf zerbrechen, was auch immer gerade ansteht.«
    »Genau«, sagte sie und lächelte zurück.
    Er streckte den freien Arm aus, und sie lehnte sich zu ihm hinüber und küsste ihn auf den Mund. Ein paar Minuten später steckte er das Handy weg, startete den Wagen und fuhr los.
    Es war für sie beide ein Ausnahmewochenende gewesen. Selbst wenn er samstags und sonntags nicht arbeitete, war Jacobson normalerweise doch grundsätzlich abrufbar. Das gehörte zu seinen Vertragsbedingungen als leitender Beamter des CID. Deshalb hatte er das Wochenende als Teil seines Jahresurlaubs gebucht, war das doch der einzige offizielle Weg, in den Genuss reiner, ungetrübter Freizeit zu kommen. Als sie die Abfahrt Flowers Street erreichten, stellte er das Radio an. ›Crowby FM‹. Aber Alison kannte den Trick, Jacobson wollte aus den Mitternachtsnachrichten erfahren, ob etwas Relevantes vorgefallen war. Sie schob eine CD in den Schlitz unter dem Radio: Madeleine Peyroux, die Hank Williams noch einmal neu erfand. Das ist besser, dachte sie und steckte sich passend zur Musik eine Zigarette an. Jacobson bekam eine B&H.
    Jacobson fuhr vorsichtig wie immer und ließ vor seinem inneren Auge die Highlights des Wochenendes noch einmal Revue passieren, was er wohl noch etliche Tage tun würde. Er hatte sie etwas aufwendig in eines der Hotels am gehobenen Ende des Boulevard Saint Michel eingemietet, und sie waren abends

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