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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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wild mit dem Besen wedelte.
    Sie reagierten überhaupt nicht.
    Er blies auf der Vuvuzela, aber auch das irre Getröte ließ sie völlig kalt. Schließlich breitete er die Arme aus und rannte auf sie zu. Dabei versuchte er, das Geräusch eines Flugzeugs nachzuahmen. » WROAHHH !«
    Die Gänse schauten nicht einmal auf.
    Vielleicht war es zu viel verlangt, dass sie in einer Trainingseinheit zwei Kommandos lernten. Vielleicht sollte er sich einfach über den heutigen Erfolg freuen und es morgen wieder mit der Vuvuzela versuchen.
    Auf dem Rückweg interessierten sich die Gänse nicht mehr für das Gras. Sie waren vollgefressen. Ihre Mägen mussten mit einem klebrig-feuchten, braunen Klumpen ausgefüllt sein. Natürlich durften sie nicht zu dick werden. Sonst bekamen sie bald auch noch dieses geheimnisvolle Syndrom X. Und er hatte keine Chance mehr, sie zum Fliegen zu bringen. Er musste die Kekse vernünftig dosieren. Disziplin war wichtig. Regeln. Die Dinge, auf die Captain Sully großen Wert legte.
    Es war erst halb neun. Vielleicht erreichte er noch Gravitation . Vor ein paar Tagen war sie total von der Rolle gewesen. Ihr Kaninchen war an Myxomatose gestorben. Gieles wusste, wie scheußlich Myxomatosekaninchen aussahen. Sein Vater hatte schon öfter kranke Tiere von der Piste geholt, mit aufgequollenen Köpfen und Hinterteilen. Sie erinnerten an überreife Pflaumen.
    Ein Kribbeln im Bauch, sie war online.
    Gravitation : »Bin noch in Trauer. Wenn ich zwischen demKaninchen und meinen Eltern wählen könnte, würd ich mich für mein Kaninchen entscheiden.«
    Captain Sully : »Wenn du willst, kannst du eine von meinen Gänsen haben. Die eine, die so staubsaugermäßig frisst. In der verschwindet alles. Kann man auch als Reißwolf benutzen.«
    Gravitation : »Du hast sie wohl nicht alle. Meine Eltern machen sowieso Stress, weil ich Erdbeeren pflücken soll. Sie meinen, ich hänge nur ab. Aber weißt du, wie beschissen Erdbeerenpflücken ist? In der Scheißsonne und mit den Scheißhornissen. Ich will nur was Sinnvolles tun. In einem Waisenhaus. Oder was mit kranken Elefanten. Was deine Mutter da in Afrika mit den Kochern macht, das ist doch cool. Kann ich ihr helfen? Bin vom Unterricht ausgeschlossen worden, und ich geh auf keinen Fall wieder auf die Schule zurück! NFW ! Meine Eltern können von mir aus Mixematose kriegen!«
    Captain Sully : »Vielleicht ist Erdbeerenpflücken gar nicht so schlecht. Meiner Mutter in Afrika helfen ist auf jeden Fall keine gute Idee!«
    Gravitation : »Muss ich doch selbst wissen. Ich geh nach Afrika.«
    Nach kurzem Zögern beschloss Gieles, Gravitation die letzte grässliche Mail seiner Mutter zu schicken. Keiner von den Menschen, die er kannte, sollte jemals wieder Afrikanern helfen.
    Mein Sonnenschein,
    Somalia bringt mich allmählich um den Verstand. Eine einzige Tragödie, dieses Land. Die Menschen hier sind Barbaren, grausame Barbaren mit Handys. Einer der Führer hat mir auf seinem Handy Videoaufnahmen gezeigt, die ein Cousin von ihm in Kismaayo gemacht hatte. Kismaayo ist eine gefährliche Hafenstadt im Süden des Landes.
    I n dem Video war ein junges Mädchen zu sehen, das bis zum Hals eingegraben war. Das sah aus, als hätte man ihren Kopf vor einem Fußballspiel auf den Mittelpunkt des Feldes gelegt. Ihr Gesicht konnte ich nicht sehen, es war auch nichts von ihr zu hören. Dafür viel Geschrei ringsum. Auf Tribünen saßen Hunderte von Männern, die wie verrückt brüllten. In der Nähe des Mädchens hatte man einen Haufen Steine auf den Boden gekippt, die für ein Haus gereicht hätten. Dort stand eine Gruppe von Männern. Außerdem waren bewaffnete Milizionäre da, als ob das Kind noch hätte fliehen können. Nach einiger Zeit fingen die Barbaren an zu werfen. Manche Steine waren größer als der Kopf des Mädchens. Als der Kopf nur noch wie eine blutige Masse aussah, wurde sie an den Haaren aus dem Loch gezogen. Ein Kerl, der den Arzt spielte, stellte fest, dass sie noch lebte. Sie ließen sie wieder in das Loch hinunter und fingen noch einmal an.
    Der Führer erzählte, das Mädchen sei dreizehn Jahre alt gewesen. Sie war wegen »Ehebruchs« verurteilt worden, nachdem sie von drei Männern vergewaltigt worden war. Er fand das Urteil gerecht. Ich wäre ihm beinahe an die Gurgel gesprungen, aber plötzlich richtete sich meine Wut nach innen. Ich bin implodiert, und ich habe das Gefühl, dass in mir etwas zerbrochen ist. Was, weiß ich nicht.
    Ich zwinge mich, diese furchtbaren

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