Glockenklang von Campanile
bieten.
Noch nie hatte sie sich gleich beim ersten Rendezvous so schnell in die Arme eines Mannes begeben. Aber die Zeit verrann, und sie wollte den Zauber nutzen, ehe er sich wieder verflüchtigte. Und außerdem, dies war Francesco, der so anders war als alle anderen Männer. Seine Lippen waren aufregend, so überzeugend und lösten tausend Sehnsüchte aus.
Als er dann den Kopf hob und ihr Gesicht im schwachen Licht der Laterne musterte, sah sie etwas darin, das ihr Herz wild schlagen ließ. Gleichzeitig spürte sie, wie er erbebte, und erwartete, dass er sie dichter an sich zog. Doch er beherrschte sich.
“Wir sollten … weitergehen”, sagte er heiser.
Bald erreichten sie den Canale Grande. Ein paar Stufen führten hinab ans Wasser. Sonia schritt hinunter, dicht gefolgt von Francesco. Er war entschlossen, sie wieder zu küssen, denn beherrschen konnte er sich nicht mehr. Und als sie dastanden, sich in den Armen hielten, zog ein großes Boot vorbei und schickte mit seinen Bugwellen trübes Kanalwasser über ihre Schuhe.
Sie hatten ein Vermögen gekostet, diese Schuhe, aber Sonia fand die Situation urkomisch. Die Nacht hatte sie völlig verzaubert. Francesco war bestürzt, als er den Schaden sah, während Sonia sich vor Lachen schüttelte.
“Das war der Moment, wo ich mich in dich verliebte”, hatte er ihr auf der Hochzeitsreise gestanden.
“Erst dann?”, neckte sie ihn. “Nicht, als du mich das erste Mal sahst?”
“Nein, als ich dich nackt und schön dastehen sah, war ich entschlossen, dich ins Bett zu bekommen. Aber als du es lustig fandest, dass deine teuren Schuhe durchgeweicht wurden, öffnete sich mein Herz, und ich beschloss, dich zu heiraten.”
“Wirklich? Du hattest es beschlossen?”
“Ja. Dir blieb also gar keine andere Wahl. Und nun komm …”
Lachend flog sie ihm in die Arme. Es war damals ein hübscher Spaß gewesen, dass Francesco immer bekam, was er wollte. Was für eine Rolle spielte es schon? Sie wollte dasselbe wie er, und so würde es immer bleiben.
3. KAPITEL
A m nächsten Tag begann die Glasmesse. Nach dem Frühstück begab sich Sonia in den großen Ballraum des Hotels, wo die letzten Vorbereitungen abgeschlossen wurden. Sie sah Francesco sofort. Das Handy am Ohr, winkte er ihr zu und bedeutete ihr, zu ihm zu kommen. Lächelnd ging sie auf ihn zu.
Natürlich würde er sie nicht vor allen Leuten küssen, aber sicherlich mit einem glühenden Blick bedenken, ein Blick, der nur für sie gedacht war. Vielleicht würde er auch etwas Intimes, Besonderes sagen.
Weit gefehlt. Seine ersten Worte waren wie ein Eimer Eiswasser. “Falls du ausgehst, kann ich dann deinen Zimmerschlüssel haben? Ich werde ab und zu ein paar Sachen rausholen müssen.”
“Ich … ja.” Sie riss sich zusammen. “Hier ist er.”
“Prima. Hast du gut geschlafen?”
“Nicht sehr gut. Mitten in der Nacht wachte ich auf, weil ein Karton auf mich gefallen war.”
“Wie fürchterlich! Ist etwas zerbrochen?”
“Nein, alles heil geblieben”, erwiderte sie bissig. “Ich eingeschlossen, danke der Nachfrage!”
Francesco grinste, aber bevor er antworten konnte, klingelte sein Handy wieder. Er hauchte: “Später”, und wandte sich ab.
Was habe ich denn erwartet?, dachte sie. Der Liebhaber vom Abend ist nun voll und ganz Geschäftsmann. Ihre Zeit würde kommen … später.
Die Messe fand gleichzeitig in fünf Hotels statt, und Sonia suchte alle auf, sprach mit den Firmenrepräsentanten, notierte sich Preise, stellte Aufträge zusammen. Und die ganze Zeit über funktionierte sie wie ein Automat. Das Bild in ihrem Kopf wollte einfach nicht verschwinden: Francesco, lächelnd, ein verwegenes Funkeln in den dunklen Augen … Ihre Lippen erwarteten bereits den Abend, sehnten sich nach seinem Kuss.
Dann war es so weit. Endlich hatte sie den Tag hinter sich gebracht. Im großen Ballsaal des
Cornucopia
tobte noch das Leben. Die Messe erwies sich als ein Riesenerfolg. Sonia suchte sich ihren Weg durch die Menge zum Stand von
Bartini Fine Glass
und hielt Ausschau nach Francesco.
Er war nirgends zu sehen.
Ein bebrillter junger Mann und zwei modisch gekleidete Frauen unterhielten sich angeregt mit Kunden, aber von Francesco keine Spur.
Eine der jungen Frauen beendete ihr Gespräch. Sonia reichte ihr ihre Visitenkarte und sagte kühl: “Ich hatte gehofft, mit Signor Bartini persönlich sprechen zu können.”
“Tut mir leid, Signor Bartini ist bei einem Geschäftsessen mit Kunden und wird erst morgen
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